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Pandemie 35 Infektionen in Wohnheim in Staßfurt

Die Corona-Werte im Salzland bleiben hoch. Zum neuen Hotspot hat sich Staßfurt entwickelt.

20.12.2020, 23:01

Staßfurt/Schönebeck l Erstmals liegt der Inzidenzwert im Salzlandkreis bei den Neuinfektionen durch Covid-19 bei über 200. Die Corona-Ampel steht bei 202,18. Über 200 Salzländer auf 100.000 haben sich also in den vergangenen sieben Tagen angesteckt. Am Sonnabend meldete das Sozialministerium 109 neue Fälle und einen Inzidenzwert von 213,62. Am Sonntag kamen nach Landesangaben für den Salzlandkreis zunächst 31 weitere Fälle hinzu. 29 Menschen sind seit Ausbruch der Pandemie an und mit Corona gestorben. Seit Freitag starben dadurch sechs Menschen.

Bleibt der Inzidenzwert mehrere Tage hintereinander über 200, entscheidet der Kreis über weitere Maßnahmen zur Corona-Eindämmung, etwa Ausgangsbeschränkungen.

Schwerpunkt neben Aschersleben (119) und Bernburg (113) ist jetzt Staßfurt. Am Freitag allein wurden 52 neue Infektionen gemeldet. Derzeit steht Staßfurt bei 103 aktiven Infektionen. Zum Vergleich: In Schönebeck gab es gestern 28 Corona-Infizierte.

Der sprunghafte Anstieg in Staßfurt ist auf die hohe Zahl an Infektionen in der Wohnanlage Otto-Lüdecke-Haus der Stiftung Staßfurter Waisenhaus zurückzuführen, eine Wohnstätte in der Schlachthofstraße für Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Am Montag voriger Woche hatten verpflichtende Schnelltests angeschlagen. Das Gesundheitsamt des Kreises ordnete am Mittwoch PCR-Tests an. Der Rücklauf dauerte bis zum Ende der Woche: Zwölf Mitarbeiter sind positiv. Dazu 23 Bewohner. Insgesamt wurden 46 Mitarbeiter und 67 Bewohner getestet. „Zum Glück sind alle symptomfrei“, sagt Steffen Gaede, Geschäftsführer bei der Stiftung Staßfurter Waisenhaus.

Für die Mitarbeiter und Bewohner ist jetzt 14-tägige Quarantäne angeordnet, die unter Umständen auf zehn Tage verkürzt werden kann. Die Bewohner werden natürlich weiterhin versorgt. Besuche sind auf ein Minimum reduziert. Eltern und andere Angehörige können Geschenke in der Wohnanlage im Otto-Lüdecke-Haus abgeben.

Der Geschäftsführer steht jetzt vor einem großen Personalproblem. Von den 60 Mitarbeitern sind sowieso schon ohne Corona über ein Dutzend im Krankenstand. Jetzt fällt ein weiteres Dutzend weg. „Wir haben jetzt einen richtigen Engpass“, sagt er. Derzeit wird mit Notdienstplänen gearbeitet.

Gaede spielt mehrere Optionen durch. „Intern können wir es nicht besetzen. Es gibt eine zu große Krankheitsquote. Auch der Markt für Zeitarbeitskräfte steht nicht zur Verfügung“, sagt er. Über das Wochenende hat er viel telefoniert und Mails verschickt.

Beim Pandemiestab des Sozialministeriums hat er am Sonnabend nachgefragt, ob personelle Hilfe durch die Bundeswehr denkbar ist. „Es geht vor allem um einfache Arbeiten wie Getränke verteilen, Essen servieren, Betten machen, Wäsche verteilen oder Geschirr entfernen“, so Gaede. Gestern bekam er die Rückmeldung, dass die Hilfe über den Salzlandkreis beantragt werden muss.

Eine weitere Option ist die Arbeitsquarantäne. Dabei können positiv getestete Mitarbeiter zur Arbeit kommen und dort mit positiv getesteten Bewohnern arbeiten. Arbeitsquarantäne heißt, dass die Mitarbeiter ausschließlich für die Arbeit das Haus verlassen und keinen Kontakt zu anderen Menschen haben dürfen auf dem Weg zur Arbeit. Die Anfragen bei Landkreisen, in denen die Mitarbeiter wohnen, sind rausgeschickt. Erste Rückmeldung ist: Arbeitsquarantäne ist wohl möglich.

Generell bemängelt Gaede, dass es kaum Hilfe gibt. Er fühlt sich mit der Stiftung mit dem Problem fast alleingelassen. Großen Respekt hat er aber vor den Mitarbeitern. „Die psychischen Belastungen sind groß. Sie haben Angst, sich zu infizieren. Ich kann mich nicht tief genug verbeugen, dass sie weiter zur Arbeit kommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Gaede. Mit ihrem Arbeitsethos halten sie das System am Laufen.