1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Früh erkennen und heilen

Darmkrebs Früh erkennen und heilen

„Darmkrebs“ stand im Mittelpunkt der ersten Telefonsprechstunde, die das Ameos-Klinikum Staßfurt mit der Volksstimme veranstaltet hat.

Von Daniel Wrüske 15.04.2016, 18:26

Staßfurt l Eine 73-jährige Frau meldet sich am Sprechstundentelefon. Sie berichtet, dass sie sehr verunsichert ist, weil ihr Stuhlgang sich verändert hat. „Könnte ich an Darmkrebs erkrankt sein“, fragt sie die Ärzte der Ameos-Krankenhäuser. „Auf jeden Fall sollte man die Symptome schnell ernst nehmen“, sagt Chefarzt Jan Wieland. Nicht immer müsse sofort von der schlimmen Erkrankung ausgegangen werden, dafür sei eine spezielle Diagnostik notwendig. Doch gar nicht zu handeln, sei der völlig falsche Weg, meint der Mediziner.

Das Thema Darmkrebs stand im Mittelpunkt der ersten Telefonsprechstunde, zu der das Krankenhaus Staßfurt und die Volksstimme eingeladen haben. Zwei Stunden lang gaben die profilierten Ärzte aus den Kliniken in Staßfurt und Aschersleben dabei Auskunft. Passend zum „Darmkrebs-Monat März“. Steffen Lange, Chefarzt der Staßfurter Klinik für Innere Medizin, Dr. Jan Wieland, Chefarzt der Ascherslebener Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie sowie Peter Sochor, Chefarzt der Ascherslebener Klinik für Innere Medizin/Gastroenterologie beantworteten dabei alle Fragen zur Vorbeugung, Früherkennung und Therapie. Bereits zum 15. Mal stand der Monat in ganz Deutschland im Zeichen der Darmkrebsvorsorge. Ausgerufen von der Felix Burda Stiftung und der Stiftung LebensBlicke, engagieren sich in dieser Zeit Gesundheitsorganisationen, Unternehmen, Städte, Kliniken und Privatpersonen für die Darmkrebsvorsorge, sprechen Themen an, vor denen die Allgemeinheit oft noch zu leichtsinnig die Augen verschließt. Das bestätigt auch Chefarzt Steffen Lange. „So lange es gut geht, kümmert man sich nicht. Das ist ein ganz menschliches Phänomen.“ Erst wenn Schmerzen unerträglich würden – und da sei bei jedem die Grenze unterschiedlich – reagiere man. „Dabei sind die Möglichkeiten der Vorsorge sehr gut. Die Früherkennung von Darmkrebs ist wichtig und der Grundstein für eine gute Therapie mit großer Heilungswahrscheinlichkeit“, berichtet der Arzt aus Staßfurt. „Fortgeschrittener Darmkrebs ist schlechter zu behandeln“, ergänzt Chefarzt Peter Sochor aus Aschersleben. Scham, Angst oder Gleichgültigkeit dürften nicht dafür verantwortlich sein, seine eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Jährlich sterben allein in Deutschland 25 999 Menschen an den Folgen einer Darmkrebserkrankung. Darmkrebs ist damit hierzulande bei Männern und Frauen die zweithäufigste Krebserkrankung. „Dabei kann man kaum einer Krebsart so leicht vorbeugen“, sagt Dr. Jan Wieland. Der Ascherslebener Arzt geht sogar soweit: „Durch Früherkennung könnten nahezu alle Darmkrebsfälle verhindert oder geheilt werden.“

Gesunderhaltung

Die Mediziner der Telefonsprechstunde berichten, dass nur bei einem kleinen Teil der in Deutschland registrierten Fälle Darmkrebs erblich bedingt ist. Beim Rest spielen Umwelt – und Ernährungseinflüsse eine Rolle.

Steffen Lange sagt, dass es wichtig sei, sich gesund zu ernähren. Wichtig sei dabei, viel Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Übermäßiger Konsum von rotem Fleisch fördere das Darmkrebsrisiko, zumal das Fleisch heute oft verpackt und haltbar gemacht worden sei. Stattdessen seien Geflügelfleisch und Fisch gut, denn sie würden die Eisenproduktion im Körper fördern und damit auch das Blut stärken. Außerdem ist es gut, ballastoffreiche Ernährung zu sich zu nehmen: Graubrot und Vollkornprodukte anstelle von Weißbrot.

Chefarzt Jan Wieland aus Aschersleben nennt ein interessantes Beispiel, bei dem es „wie von selbst“ funktioniert. „Statistiken zufolge ist der Darmkrebs in den Mittelmeerländern nicht so verbreitet wie im Norden Europas. So gibt es im Vergleich zwischen Griechenland und Deutschland jährlich nur halb so viele Neuerkrankungen. Einfach, weil die Ernährung eine andere sei.

Dass der übermäßige Konsum von Alkohol und Zigaretten zu vielen Schäden, auch zu Darmkrebs, führen kann, berichten die Ärzte. Ernährung ist ein Aspekt guter Vorsorge, Bewegung ein zweiter. „Das muss nicht Hochleistungssport sein, sondern vielmehr der tägliche Spaziergang“, so der Staßfurter Mediziner Steffen Lange. Besonders Menschen aus den Berufsgruppen, die viel sitzen, sollten das ernst nehmen.

Medizinische Vorsorge

Vom Darmkrebs sind vor allem Männer besonders betroffen. Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Prophylaxe sei das Stichwort: Deshalb sei die Vorsorge ab dem 55. Lebensjahr wichtig und nützlich. Also genau vor dem Alter der Indexpatienten, sagt Steffen Lange. Die einfachen Methoden wie Darmaustastung und Blutstuhltest werden meist vom Hausarzt, Gynäkologen oder Urologen im Rahmen des Krebsfrüherkennungsprogramms durchgeführt. Für eine Darmspiegelung ist es hingegen wichtig, dass man sich an einen erfahrenen Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologen) wendet. Die Darmspiegelung kann in einer gastroenterologischen Praxis oder ambulant in einem Krankenhaus durchgeführt werden. Die Krankenkassen bezahlen die Spiegelung ab dem 55. Lebensjahr als Vorsorge und vorher bereits das Abtasten und die Stuhlproben.

Besonders wichtig sei es, dass Leute zur Vorsorge gehen, in deren Familie Darmkrebs aufgetreten ist. Fünf Prozent der Fälle sind erblich, bei 30 Prozent der Erkrankten gab es Fälle in den Familien. Hier sind Vorsorgeuntersuchungen in kürzeren regelmäßigen Abständen unbedingt angezeigt.

Symptome

Die Symptome von Darmkrebs sind vielfältig, eine Verallgemeinerung sei schwer, so Peter Sochor. Typische Symptome gebe es nicht. Aber Leitsymptome als deutliche Anzeichen. „Bauchschmerzen, dunkler oder wechselnder Stuhlgang, andauernde Mattheit und Abgeschlagenheit, dabei wird der Arzt hellhörig.“

Behandlung

Darmkrebs entsteht in der Regel in rund 7 bis 10 Jahren aus Polypen im Dickdarm. Der Krebs kann schnell streuen. Deshalb ist es wichtig, ihn früh zu erkennen. Da bei der Darmspiegelung die Polypen gleich mit entfernt werden können, kann so die Ausbildung eines Darmkrebs verhindert werden. Die Therapie richtet sich wie bei vielen Krebserkrankungen vor allem nach der Tumorlokalisation und dem Tumorstadium. In der Regel wird eine vollständige Entfernung des tumortragenden Darmabschnittes mit Entfernung des zugehörigen Lymphabflussgebietes bei einer Operation angestrebt. Wichtig ist nach dem operativen Eingriff die Nachsorge. Sie richtet sich ganz individuell am Patienten aus. Das Klinikum Aschersleben ist ein von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziertes Darmkrebszentrum. Bei interdisziplinären Konferenzen besprechen Mediziner aus verschiedenen Fachbereichen, welche Heilungsmöglichkeiten es für den Patienten gibt. Das reicht von der Chemotherapie in den meisten Fällen über Ernährungsberatung bis hin zu psychologischer Betreuung. „Alter, Begleiterkrankungen und selbst gesteckte Ziele der Patienten spielen dabei ebenso eine Rolle“, so Dr. Jan Wieland. In Aschersleben beraten einmal wöchentlich gemeinsam Chirurgen, Gastroenterologen, Radiologen, Pathologen, Onkologen und Strahlentherapeuten über den individuellen Behandlungsplan jedes einzelnen Patienten. Die Nachsorge wird in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten organisiert.

Perspektive

„Die Behandlungsmethoden und die Nachsorge sind so ausgereift, dass die Diagnose Darmkrebs nicht immer das Lebensende bedeuten muss“, sagt Dr. Peter Sochor. Es gebe viele Fortschritte im medizinischen Bereich. Davon und von der interdisziplinären Zusammenarbeit würden Patienten profitieren. Gefordert sei jeder Einzelne bei Vorsorge und Gesunderhaltung, so der Arzt.