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Hakelort kämpft gegen massives Grundwasserproblem/Goetheplatz, Sportplatz, Volkshaus, Bauhof und viele Grundstücke betroffen Hohes Grundwasser: Cochstedter Bürger in Sorge

Von Nora Stuhr 18.04.2011, 06:41

Die Nerven in Cochstedt liegen blank. Einwohner haben Angst um Hab und Gut. Seit knapp einem Jahr sprudeln Quellen vielerorts aus der Erde, durch Kellerwände. Gärten sind vernässt. Der Boden ist aufgeweicht und hat sich stellenweise auch auf Straßen abgesenkt. Das Grundwasser ist gestiegen, keiner kennt die Ursache. Immer mehr Leute sind in Sorge, sehen eine Gefahr für den gesamten Ort. Auf einem Rundgang wird deutlich, warum das so ist. Die Volksstimme hat mit Betroffenen gesprochen.

Cochstedt. Seit April 2010 steht die Pumpe im Keller von Norbert Kluck nicht still: Dauerbetrieb Tag und Nacht. Würde Kluck sie aussetzen, stünde sein Keller im Haus in der Böklinger Straße binnen kurzer Zeit unter Wasser. Durch das Mauerwerk dringt es ein. Ein kleines Rinnsal plätschert unterirdisch durch Klucks Garten gen Goldbach. "Normalerweise ist der Bach fast trocken", weiß der alteingesessene Cochstedter. Seit Monaten bietet sich ihm ein anderes Bild. Das Wasser rauscht am Grundstück vorbei. Von überall kommt neues Nass dazu.

Kluck hat sich vor Monaten mit seinem Problem an die Stadtverwaltung gewandt, fühlt sich mit seinen Sorgen aber allein gelassen. "Von der Stadt war jemand hier." Als Eigentümer müsse ich mir selbst helfen, sei ihm mitgeteilt worden.

Doch damit nicht genug. "Cochstedt geht unter." Klucks Frau ist betroffen. Verzweiflung klingt aus ihrer Stimme. Wenige Schritte weiter wird schnell klar, wovon sie spricht.

Auf dem Goetheplatz sprudeln die Quellen aus der Erde. An mindestens fünf Stellen hat das Grundwasser sich seinen Weg an die Erdoberfläche gesucht. Es steht nicht still. Mit enormer Fließgeschwindigkeit schnellt es empor. Nach und nach haben sich auf der mittlerweile versumpften und abgesperrten Wiese immer mehr Löcher aufgetan.

<6>"Es ist fast wie in Island." Galgenhumor schwingt in den Worten eines Mannes mit, der gleichfalls betroffen ist. Am Haus von Gerold Becher unweit entfernt quillt das Wasser aus der Hauswand in den Garten. Es kommt regelrecht heraus geschossen. Seit April 2010 kämpft Becher mit Pumpen und einer Drainage dafür, sein Haus zu schützen.

"Es ist fast wie in Island"

Brenzlig sei die Situation aber auch an anderen Stellen im Ort, sieht Becher eine Gefahr. Der Bauhof sei nicht mehr befahrbar, der Sportplatz nicht mehr bespielbar, entlang des Goldbaches sei es sowieso katastrophal. Hinzu komme, dass der Boden an mehreren Stellen im Ort schon abgesackt sei. "Dieses Loch ist auch neu." Kristian Ambrosius deutet auf eine Delle im Pflaster auf dem Platz neben dem Marktcenter.

Die Brücke über dem Goldbachgraben weise gleichfalls Anzeichen auf, die für ihn besorgniserregend sind. Und auf seinem eigenen Grundstück kämpft der junge Mann seit einem Jahr gegen die Folgen des hohen Grundwassers an. Der Garten ist versumpft. Senkungen fülle er regelmäßig auf. An einem Hang sei schon was abgesackt. "Darüber ist eine Straße. Dort fahren Lkw lang", fürchtet Ambrosius, dass Schlimmeres passiert.

Indes sprudelt das Wasser weiter. Viele Quellen seien schon aufgegangen. Das weitere folgen – sollte die Ursache nicht gefunden und behoben werden – schließt die Cochstedterin Ute Behrens nicht aus. Das Haus ihrer Familie liegt direkt am Goldbach. Zum Glück sei die Hauptquelle am Schwimmbad noch dicht, käme sie dazu, wären die Folgen für viele Cochstedter katastrophal, meint Behrens. "Es ist das Hab und Gut der Leute. Sie haben nichts anderes."

Hilferufe aus dem Hakelort hallten schon vor Monaten in Richtung Rathaus. Zunächst vergebens. Mehrere Schreiben an den Bürgermeister der Stadt Hecklingen blieben anfangs unbeantwortet. Auch auf Ratssitzungen hatte Cochstedts Ortsbürgermeister Ulrich Dubiel die Brisanz der Problematik im vergangenen Jahr nicht nur einmal erklärt.

Die Stadt hatte daraufhin den Bergbausanierer LMBV kontaktiert, um abzuklären, ob der Anstieg des Grundwasserspiegels in Cochstedt möglicherweise mit dem Anstieg des Grundwasserspiegels rund um den Concordiasee zusammenhängt.

"Wir wissen, dass was gemacht wird, keiner weiß was"

Die LMBV erteilte Hecklingen aber eine Absage, weil Cochstedt nicht zum Zuständigkeitsbereich zähle, so die Antwort. Die Ursache für das Problem in Cochstedt steht damit noch immer nicht fest. Die Bürger leben weiter in Angst.

Hinzu kommt, dass sie sich von der Stadtverwaltung über den aktuellen Stand der Lage nicht ausreichend informiert fühlen. "Wir wissen jetzt zwar, dass was gemacht wird, aber keiner weiß was", findet Ute Behrens, dass so Gerüchte entstehen, was angesichts der Brisanz der Lage nicht förderlich sein könne.

"Es dauert mittlerweile so lange. Es hört nicht auf"

Weil niemand genaues wusste, waren viele der Betroffenen jüngst zur Beratung des Hecklinger Stadtrates gekommen, auch weil keine Besserung der Lage in Sicht ist. "Es dauert mittlerweile so lange. Es hört nicht auf. Bitte versuchen Sie, das Land mit ins Boot zu holen."

Möglich wäre auch, die Grundwassermessstände regelmäßig mit aktuellen Informationen auf der städtischen Homepage zu aktualisieren, so der Vorschlag von Gerold Becher an die Stadt gerichtet.

Die Leiterin des Bau- und Ordnungsamtes der Stadt Hecklingen Sigrid Bleile hatte zuvor informiert, dass Gemeindearbeiter auf dem Goetheplatz einen alten Kanal frei gelegt haben.

Das habe aber nicht den erhofften Nutzen gebracht. Das Wasser sei auf den Gehwegbereich geflossen, so Bleile. Zudem sei der Goldbach in seiner Sohle viel zu hoch. Angebote für eine Vertiefung der Sohle lägen bei zirka 50 000 Euro. Das sei eine Maßnahme, die sowieso gemacht werden müsse.

Außerdem hat die Stadt ein Ingenieurbüro beauftragt, nach Vermessungen Angebote zu unterbreiten, wie das Wasser der vielen Quellen auf dem Goetheplatz in den Goldbachgraben abgeleitet werden kann. Bleile sprach in diesem Zusammenhang von einer "endgültigen Lösung, die langfristig Abhilfe schaffen soll." Erste Ergebnisse erhofft sie sich in drei bis vier Wochen.

Als Sofortmaßnahmen sagte die Amtsleiterin auf dem Goetheplatz eine Tempo-30-Regelung und ein Durchfahrt-Verbot für Lkw zu.