Leseranwältin Journalisten sollten sich auf ihr Handwerk besinnen

Wenn ein mächtiger Mensch wie der US-Präsident Trump im Stundentakt Verordnungen erlässt, wechselnden Adressaten droht, provokante Thesen bis hin zur Lüge in die Welt setzt, dann ist vieles unklar, die Wirkung aber gesichert: Verwirrung. Viele Beobachter sind überzeugt, dass dahinter eine ursprünglich militärische Taktik namens Shock and Awe (zu deutsch: Schrecken und Furcht) steckt. Sie bedeutet, den Gegner mit einer Flut an überraschenden Maßnahmen so zu verunsichern, dass er sich nicht nennenswert wehren kann.
Dafür spricht, dass bereits der frühere Trump-Berater Steve Bannon auf die Medienstrategie „Flood the zone with shit“ (gemäßigt übersetzt: Den Raum mit Mist überfluten) setzte – Journalisten durch die schiere Masse an Neuigkeiten überwältigen, so dass sie mit Nachprüfen nicht hinterherkommen; Vertrauen in klassische Medien erschüttern; von Inhalten ablenken.
Sorgfältig berichten zu müssen, daran aber gehindert zu sein, bringt uns Journalisten in eine missliche Lage. Was eine einflussreiche Person sagt oder tut, lässt sich ja nicht einfach ignorieren, zumal sie immer in irgendeinem der vielen konkurrierenden Medien öffentlich wird. Leser erwarten von uns zudem, dass wir Hintergründe erläutern, die wichtig sind, um Informationen einzuordnen und sich eine eigene Meinung bilden zu können.
Was hilft? Zuerst die Erkenntnis, dass Schockstarre kein naturgegebener Dauerzustand ist. Dann die Besinnung aufs Handwerkszeug. Wir können nicht in den Kopf von Menschen schauen. Doch wir können beschreiben, was ihre Taten und Äußerungen auslösen. Wir können Experten befragen. Wir können herausarbeiten, was eigentlicher Inhalt und was rhetorisches Drumherum ist. Wir können darauf verzichten, griffige Formulierungen unkritisch weiterzutragen, insbesondere wenn sie sachlich falsch sind und der Stimmungsmache dienen. Und – das eint Journalisten und Leser – wir dürfen jederzeit den Sprung über ein hingehaltenes Stöckchen verweigern.