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Treffpunkt Neue Begegnungsstätte an der Kirche in Glöthe

Die Glötherin Heike Schattschneider sorgt mit weiteren engagierten Menschen dafür, dass in dem kleinen Dorf wieder mehr Leben einzieht. In der neuen Begegnungsstätte an der Kirche soll es Lesungen, Liederabende oder Workshops geben. Dazu eine Bibliothek.

Von Enrico Joo 08.06.2021, 17:49
Heike Schattschneider kommt jeden Tag ins Gemeindehaus, um die zahlreichen Bücher dort zu sortieren. Bereits in diesem Sommer soll in Glöthe eine kleine ?Stöberbücherei? entstehen.
Heike Schattschneider kommt jeden Tag ins Gemeindehaus, um die zahlreichen Bücher dort zu sortieren. Bereits in diesem Sommer soll in Glöthe eine kleine ?Stöberbücherei? entstehen. Foto: Enrico Joo

Glöthe - „Nüscht los aufm Dorf. Da is sojar der Hund begraben.“ Die Glötherin Heike Schattschneider kann über solche mundartlichen Bemerkungen herzlich lachen. Sie kennt das. Glöthe hat keinen Supermarkt, keine Schule. Die sehr kleine Kita ist seit Monaten Bestandteil von Diskussionen um eine Schließung. Und im Ortschaftsrat Förderstedt, in dem neben Glöthe über fünf weitere Dörfer gesprochen wird, ist das kleine Örtchen fast immer nur Thema, wenn es um die Kita geht.

Dabei ist Glöthe mit den 554 Einwohnern (Stand Dezember 2020) durchaus lebendig. Anfang 2018 wurde ein Heimatverein gegründet, der schon zünftige Dorffeste gefeiert hat. Und Glöthe hat auch eine Kirche samt aktiver Kirchengemeinde, die nicht akzeptieren will, dass die Menschen sich mit Gesten und dem Herzen nicht mehr grüßen und aneinander vorbeischauen.

Idee für Begegnungsstätte ist 2019 entstanden

Heike Schattschneider ist ei-ner von diesen Menschen. Sie ist gar nicht in der Region geboren und kommt aus dem heutigen Mecklenburg-Vorpommern, aber ihr Herzblut für Glöthe, wo sie seit so vielen Jahren wohnt, lässt sie nicht still sitzen. Was kann man tun, um die Menschen von ihren festgesessenen Couchen und Sesseln hochzubekommen? Wie können die Menschen ins Gespräch kommen, sich näherkommen beim Austausch? „Die Idee zu einer Begegnungsstätte im Ort ist 2019 zwischen Mario Pape und mir entstanden“, sagt Schattschneider. Mario Pape ist der Vorsitzende des Heimatvereins in Glöthe.

Als Anfang 2020 die Corona-Krise die ganze Welt lahmlegte, stockten auch die Bemühungen um die Begegnungsstätte im kleinen Glöthe. Mit den sinkenden Infektionszahlen jetzt flackert die Idee aber neu auf. Als Ort wird das Gemeindehaus gleich neben der evangelischen Kirche St. Georg in Glöthe genutzt. Schon jetzt finden dort für die etwa acht Kirchengänger ab und zu Andachten statt.

Wir wollen weg vom Egoismus und das Miteinander fördern. Alles passiert mit dem Ziel, dass wir uns begegnen. Der Weg ist das Ziel. Wir halten zusammen und sind zusammen.

Heike Schattschneider

Warum braucht Glöthe eigentlich eine Begegnungsstätte? „Wir wollen weg vom Egoismus und das Miteinander fördern“, sagt Heike Schattschneider. Dabei ist alles möglich. „Alles passiert mit dem Ziel, dass wir uns begegnen. Der Weg ist das Ziel. Wir halten zusammen und sind zusammen. Und die Kirche ist von jeher ein Raum der Begegnung.“ Es geht auch um ein Lebensgefühl und eine Einstellung, um die Achtung vor jeglichen Kreaturen, was ja zutiefst christlich ist. „Das ist alles verbunden mit christlicher Nächstenliebe“, so Schattschneider.

Derzeit sieht das Gemeindehaus vor allem wie ein Abstellbereich für ausrangierte Bücher aus. Aus mehreren Nachlässen hat Schattschneider Bücher bekommen, die sonst im Müll gelandet wären. Dazu weitere aussortierte Bücher. „Und dann kamen Bücher von Menschen aus dem Dorf. Bücher über Ägypten, Reisen, Literatur über Kriege“, so Schattschneider. Aber auch viele Romane bekannter Schriftsteller, darunter auch Krimis, historische Romane und eher leichtere Unterhaltungsliteratur wurden abgegeben. Wie viele Bücher es sind? Schattschneider seufzt: „Das weiß ich nicht. Sie sind nicht gezählt.“ Aber mehrere hundert oder sogar tausend Bücher sind es schon jetzt.

Bücher aus Nachlässen und Aussortierungen

Jeden Morgen nimmt sich Heike Schattschneider eine Stunde Zeit und sortiert Bücher. „Ich bin selbst Genussleserin“, sagt sie. Fernsehen schaut sie nicht. Auch Regale gibt es mittlerweile im Gemeindehaus. Diese kommen ebenso von privaten Nachlässen. „Irgendwann ist es ein Selbstläufer geworden“, sagt Schattschneider. Und: Bisher ist das Projekt komplett ohne Investitionen ausgekommen.

In naher Zukunft soll es im Gemeindehaus dann eine „Stöberbücherei“ geben mit wechselndem Angebot. „Unser Ziel ist es dann auch, Öffnungs- zeiten anzubieten“, so Schattschneider. Einmal die Woche und auch am Wochenende sollen die Türen offen stehen. Los gehen soll es schon in diesem Sommer. Bücher können ausgeliehen und müssen dann später natürlich wieder zurückgegeben werden. Es soll dann auch vermerkt werden, wer welches Buch ausgeliehen hat. „Aber es werden wohl sowieso nicht mehr als 15 bis 20 Leser sein. Und die kenne ich im Ort alle persönlich“, sagt sie und lacht.

Aber es soll ja nicht nur eine Bibliothek sein. Liederabende, Buchlesungen, Spielenachmittage, Handarbeiten, Konzerte, Ausstellungen oder Workshops zu Gedichten und Bücher kann sich Heike Schattschneider vorstellen und noch vieles mehr. „Da gibt es keine Grenzen. Alles ist erlaubt, wo Menschen sich begegnen“, sagt sie. Die Menschen im Ort sollen eben zusammenkommen. „Viele haben sich bereit erklärt, dabei mitzumachen.“ In diesem Monat wollen die Ehrenamtlichen mit dem Aufbau fertig werden. Finanziert werden soll die Begegnungsstätte über Spenden.

Treffen im Sommer unter freiem Himmel geplant

Wenn das Wetter im Sommer gut wird, dann sollen auch unter freiem Himmel Treffen stattfinden. Dabei müssen natürlich auch die Coronazahlen mitspielen. Dann könnte es bei Kaffee und Kuchen zum Beispiel einen Frauenkreis geben.

Für Heike Schattschneider ist das Engagement im Ort wichtig, um auch selbst aktiv zu bleiben. „Es macht mir Freude und nicht viel Arbeit. Das sind Kleinigkeiten, die nicht wehtun. Es hat einfach etwas damit zu tun, Mensch zu sein“, sagt sie.

Auch deswegen pflegt sie für eine kleine Aufwandsentschädigung die Außenanlagen an der Kirche in Glöthe. Sie hat einen sogenannten Ehrenamtsvertrag unterschrieben. Und auch deswegen kümmert sie sich zum Beispiel um die verwitwete Nachbarin, die vor wenigen Monaten ihren Mann in noch jungen Jahren verloren hat. Bei langen Spaziergängen wird über Gott und die Welt gesprochen. Es hängt ja auch alles zusammen. Alles ist wichtig, nichts ist unwichtig. Und dass in Glöthe nichts los ist, kann schließlich auch nur der behaupten, der mit geschlossenen Augen herumläuft und selbst nur aus dem Wohnzimmer in die Welt schaut.