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Tierwohl Wie geht es weiter für streunende Katzen in Staßfurt?

Von Franziska Richter Aktualisiert: 29.4.2021, 08:42
In Neundorf, wo herrenlose Katzen in einer Gartensparte den Nachbarn zur Plage wurden, wird in dieser Woche die neunte von zehn Katzen zum Tierarzt zur Kastration gebracht. An der Löderburger Bahn in Staßfurt gab es einen ähnlichen Fall, wo 16 Katzen nach dem Tod ihres Besitzers zurückblieben. Nur noch zwei werden aktuell vor Ort weiter vom Tierschutzverein gefüttert. Der Rest konnte  vermittelt werden.
In Neundorf, wo herrenlose Katzen in einer Gartensparte den Nachbarn zur Plage wurden, wird in dieser Woche die neunte von zehn Katzen zum Tierarzt zur Kastration gebracht. An der Löderburger Bahn in Staßfurt gab es einen ähnlichen Fall, wo 16 Katzen nach dem Tod ihres Besitzers zurückblieben. Nur noch zwei werden aktuell vor Ort weiter vom Tierschutzverein gefüttert. Der Rest konnte vermittelt werden. Foto: Franziska Richter

Staßfurt. Margit Kietz bringt es auf den Punkt: „Die Kapazitätsgrenze beim Tierschutzverein Staßfurt ist erreicht. Meine Sorge gilt jetzt den ausgesetzten, unkastrierten Katzen.“ Die Stadträtin aus Staßfurt (Die Linke) macht im Stadtrat in großer Runde auf ein großes Problem aufmerksam: Was ist jetzt, wenn jemand eine Katze herumirren sieht? Ein verletztes Tier findet? Wer vermittelt ihnen ein neues Zuhause?

Diese Fragen waren offen, seit der Tierschutzverein Staßfurt kürzlich offiziell den eigenen Aufnahmestopp verkündet hat. Das Veterinäramt hatte dem Verein untersagt, weitere Tiere in der Katzenauffangstation nahe Prinzenberg aufzunehmen.

„Wir haben keinen Platz mehr und müssen abbauen, denn wir werden alle älter. Es bleibt bei den 26 Katzen, die wir aktuell noch haben“, sagt Sieglinde Perrin vom Tierschutzverein Staßfurt. Eng war es in der Auffangstation schon immer – immerhin handelt es sich um das Privatgrundstück von Vereinsmitglied Rosemarie Tischler.

Frage nach Lösungen offen

Stadträtin Kietz hat berechtigte Fragen: „Wo werden neue Plätze für Fundkatzen geschaffen? Welche Lösungen strebt die Stadt an? Es geht hier um Hauskatzen, die den Menschen brauchen. Wir benötigen eine langfristige Strategie. Wir müssen uns um das Tierwohl in der Stadt kümmern.“

Unterdessen berichten die Damen vom Tierschutzverein, dass „Ruhe war“, seitdem sie selbst öffentlich über ihren Aufnahmestopp informierten. „Es kommen glücklichweise nur noch Leute, die eine Katze aufnehmen wollen“, so Perrin.

Übrige Katzen bei Tischler schwer zu vermitteln

Ein Großteil der überbleibenden 26 Katzen seien leider schlecht zu vermitteln, man versuche es trotzdem. Sieglinde Perrin erklärt: „Darunter sind blinde Katzen, welche mit nur drei Beinen, mit Ataxie und verhaltensauffällige Tiere.“ Für einen weiteren Teil der Katzen bei Tischler sehe es etwas besser aus. Der Tierschutzverein Staßfurt bestehe auf jeden Fall weiter, bestückt Futterstellen für freilebende Katzen und fängt diese zum Kastrieren ein. Der Verein arbeitet hier eng mit der Stadt zusammen.

Zum Thema Katzen könnte Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) mittlerweile einen Roman schreiben: Die Stadt doktert seit Monaten, ja Jahren, an dem Problem herum. „Wir führen schon lange Gespräche zu dem Thema, unter anderem mit der Lebenshilfe“, entgegnet Sven Wagner dem Hilferuf der Stadträtin Kietz.

Die Lebenshilfe schwirrt nun in den Gerüchten zum Thema Katzen herum. Da heißt es, in Egeln-Nord soll eine neue Auffangstation gebaut werden oder dass man im Tiergarten Staßfurt noch Platz für Fundkatzen hätte. Alles ist mittlerweile überholt und kann vom Geschäftsführer der Lebenshilfe dementiert werden.

Neue Auffangstation? Lebenshilfe muss passen

Stefan Labbude sagt: „Es ist richtig, dass wir von verschiedenen Seiten angesprochen wurden, ob wir uns in Sachen Katzen engagieren können. Es gab auch verschiedene Ideen, aber letztendlich war keine durchführbar.“ Zuletzt war man mit der Stadt Staßfurt im Gespräch, ob man nicht doch neue Katzenauffangstation einrichten könne. „Wir haben das noch mal geprüft, aber sind zu dem Schluss gekommen: Wir können das nicht vernünftig und artgerecht machen“, so Labudde. Es brauche unter anderem viele Einzelkäfige für Quarantänefälle.

Ein weiterer Name im Gespräch ist Thomas Rozanski. Er betreibt seit Jahren die Tierpension im Calbeschen Weg, gegenüber der Biogasanlage. Vor allem für seine Arbeit mit schwierigen Hunden ist er bekannt.

Tierpension in der Calbeschen Straße

Die Auflösung ist einfach: „Ich nehme Katzen auf nach dem SOG (*Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) und zwar schon immer“, sagt Rozanski. Heißt, wenn Tiere die öffentliche Sicherheit gefährden und zur Gefahrenabwehr, ist er zuständig. Als Sachverständiger hat er seit Jahren einen Vertrag mit der Stadt.

Das Problem war bisher nur, dass nahezu jeder seine Fundkatze einfach zu Rosemarie Tischler brachte, weil die Auffangstation dort bekannt war. Der formal korrekte Weg wird seit dem Aufnahmestopp jetzt wieder eingefordert: Finder melden sich beim Ordnungsamt oder außerhalb der Dienstzeiten bei der Leitstelle. Fundtiere, auch Katzen, werden dann in die Tierpension im Calbeschen Weg gebracht.

Rozanski erbringt Leistungen für die Stadt Staßfurt rund ums Tier – Einfangen, Transport, Verwahrung und Pflege von Fundtieren, herrenlosen Tieren und Unterbringungstieren. Das gilt für alle Haustierarten außer Nutztiere wie Kuh, Schwein, Pferd, Schaf oder Ziege.

„Ebenso zählt auch das Einsammeln von Tierkadavern – Katze, Hund, Vögel und andere Kleinsäuger außer jagdbares Wild - zu den an die Tierpension Staßfurt übertragenen Aufgaben“, erklärt das Ordnungsamt. Rozanski hat zu jeder Tag- und Nachtzeit Bereitschaft, am Wochenende und an Feiertagen.

Rozanski, der auch eine Hundepension in Gröningen hat, wird als Sachverständiger auch von Gerichten oder der Polizei hinzugezogen, wenn gefährliche Hunde im Spiel sind. Genauso bringt er für die Stadt gefährliche Hunde unter, die etwa herrenlos werden oder wo der Wesenstest nach einem Beißvorfall nicht bestanden wurde – bei von Amts wegen sichergestellten sogenannten „Vermutungs- und Vorfallshunden“.

Hauptproblem liegt beim Menschen

Hinter herrenlosen Katzen steckt aber noch ein anderes Problem. Mit dem Kastrieren kommt man teilweise nicht mehr hinterher. Halter dürfen sich weiter ihrer Katzen entledigen, wie sie lustig sind. Es gab ja bisher immer Leute, die sich danach kümmerten. Rosemarie Tischler hatte in der Vergangenheit sogar Fälle, wo Katzen in Kartons vor ihrer Haustür abgestellt wurden oder sogar einfach über den Zaun geschmissen wurden.

Immer mehr Kommunen diskutieren, wie man Katzenplagen verhindern kann. Eine Tierfreundin aus Löderburg, Daniela Fröhlich, ist anderweitig im Tierschutz engagiert und kennt die neuesten Debatten: „Tierhalter müssen verpflichtet werden, die Katzen chippen und kastrieren zu lassen“, sagt sie.

Damit werde die Hemmschwelle, ein Tier auf Kosten der Kommune auszusetzen, größer. Der Halter werde ermittelbar, die Vermehrung eingedämmt. Wer züchten will, darf seine Katze eben nicht frei laufen lassen.

„Es muss einfach eine entsprechende Vorschrift erlassen werden. Eine Katzenauffangstation vorzuhalten, ist nur der zweite Schritt nach dem ersten. Eine Kastrationspflicht würde stattdessen ein großes Problem lösen“ meint die Tierfreundin.

Viele Gemeinden bundesweit sind mittlerweile erfolgreich mit diesem sogenannten „Paderborner Modell“. Auch Rozanski wünscht sich für die Zukunft in Staßfurt eine Strategie in der Art, die die Sache von Grund auf anpackt. „Wir machen uns derzeit zusammen mit der Stadt Gedanken und probieren etwas auf die Beine zu stellen, um langfristig die Katzenpopulation einzudämmen“, sagt er.

Denn im Zweifelsfall erzeuge man selbst wieder künstlich ein Katzenproblem, wenn man die Population nicht eindämme und falsch verstandene Tierliebe an den Tag lege.