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Themenwoche Aus dem Leben einer Jahrhundertfrau

Das Leben von Hannah Arendt wird in Stendal im Rahmen einer Themenwoche vorgestellt. Am 29. Januar liest Ingrid Birkholz.

Von Nora Knappe 21.01.2016, 00:01

Stendal l Nein, man muss der Hannah-Arendt-Lesung nicht fernbleiben, nur weil man noch nie etwas über sie oder gar von ihr gelesen hat. Ingrid Birkholz, die die Lesung gestalten wird, ging es nämlich anfangs genauso. „Ich kannte den großen Namen Hannah Arendt und wusste von ihrem Buch über den Totalitarismus. Ansonsten war ich unwissend.“ Und ja, der Film über Arendts Rolle als Berichterstatterin im Adolf-Eichmann-Prozess war ihr ein Begriff sowie die Kontroverse, die Arendt mit ihrer Formulierung von der „Banalität des Bösen“ auslöste.

Doch das war schon alles, was die Schauspielerin Ingrid Birkholz über die Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt (1906-1975) wusste. Bis vor drei Jahren, als sie auf Anfrage der TdA-Dramaturgin Aud Merkel in Perleberg bei einer Veranstaltung anlässlich des Gedenkens zur Pogromnacht auftrat – und aus dem Buch „Denken ohne Geländer“, das Texte von Hannah Arendt versammelt, las. Seither, sagt Ingrid Birkholz, sei sie jedesmal „wie elektrisiert, wann immer ich den Namen höre“.

Das Buch „Denken ohne Geländer“– das der Themenwoche von Stendaler Hochschule und Theater der Altmark (siehe Infokasten) ihren Namen gab, empfindet Ingrid Birkholz angesichts des äußerst umfassenden Werks Hannah Arendts als so „ausreichend und vielfältig“, dass es sich hervorragend eben für alle eigne, die bisher nicht mit Hannah ­Arendt zu tun hatten. Darin gehe es nämlich – ganz im Gegensatz zum Arendt‘schen Denken ohne Geländer, einem radikal-unabhängigen Denken – „wie an einem Geländer entlang, auf so verständliche und sinnliche und keineswegs nur theoretische Weise“, sagt Ingrid Birkholz.

„Das ist so spannend und unserem Leben abgelauscht! Da springt die Begeisterung für Hannah Arendt über, und man kann nicht aufhören, mehr über ihre Lebensgeschichte, ihre philosophischen Fragen zur Politik und zur Situation des Menschen im vorigen, so blutigen Jahrhundert zu erfahren.“

Diese Begeisterung spricht in Wort, Blick und Gestus auch aus Ingrid Birkholz in dem Moment, wo sie über Arendt reflektiert. Nicht ganz unschuldig daran dürfte die von Heidi Bohnet und Klaus Stadler im Piper-Verlag herausgegebene Textsammlung „Denken ohne Geländer“ sein, die sie als „spannendes Lesebuch“ bezeichnet und aus der sie am 29. Januar ab 19.30 Uhr im Cordatussaal des Stendaler Domstifts vorlesen wird. Begleitet wird Birkholz dabei von Ronny Kaufhold am Klavier. Mit seinen Improvisationen wird er „die Denkpausen füllen und erfühlen“.

Neben Arendts politischem Denken kommt in der etwa 75-minütigen Lesung aber auch die menschliche Seite der Theoretikerin, die sich selbst nicht als Philosophin sah, zur Geltung. Arendts Freundschaften, Beziehungen und Leidenschaften, ihren Gedanken über ihr Judentum, über Flucht, Emigration und Konzentrationslager gibt das Buch ebenso Raum wie von ihr geschriebenen Gedichten und anrührenden Briefen – Ingrid Birkholz freut sich darauf, auch diese Facetten Arendts erlebbar zu machen. „Sie ist eine sinnliche Frau, ihre Lebendigkeit und Ausdrucksstärke sind einfach ansteckend. Es gehen einem der Kopf auf und das Herz.“

Ein im Prolog des Buches zitierter Ausspruch hat in Ingrid Birkholz selbst etwas wachgerufen. „Wenn ich arbeite, bin ich an Wirkung nicht interessiert“, hat Arendt einst einmal formuliert. „Das war eine Anregung für mich, meinen Beruf betreffend“, sagt die Schauspielerin Ingrid Birkholz. „Wenn ich mich ganz hingebe in einer Situation, ohne an die Wirkung nach außen zu denken, da glauben Sie gar nicht, was da aufgeht, es wird alles viel durchlässiger, viel wahrhaftiger.“

Der Enthusiasmus Birkholz‘ ob des Lebens, Denkens und Wirkens dieser Frau sprudelt aus ihr heraus, je länger sie über Hannah Arendt spricht.Mit der Lesung möchte sie diese Frau den Zuhörern nahebringen. Und als wenn es noch eines letzten, überzeugenden Arguments bedurfte, auf die Lesung neugierig zu machen, sagt Birkholz: „Hannah Arendt war eine Jahrhundertfrau!“

Die Lesung zu Hannah Arendt findet am Freitag, 29. Januar, um 19.30 Uhr im Cordatussaal des Domstifts Stendal statt. Eintritt frei.