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Gelbe Tonne Das System lebt vom Mitmachen

Knapp 16 Monate ist es her, dass für den Landkreis Stendal die gelbe Tonne flächendeckend eingeführt wurde.

Von Donald Lyko 26.04.2016, 03:00

Stendal l Würden die Mitarbeiter des Entsorgers Cont-Trans, der ALS Dienstleistungsgesellschaft und die Ansprechpartner in der Kreisverwaltung eine Hitliste der meistgehörten Kundensätze aufstellen, würde dieser auf jeden Fall ganz vorn stehen: Die 240-Liter-Tonne reicht nicht aus! Und nicht weit entfernt würde das Satz: Der Vier-Wochen-Rhythmus ist viel zu lang! platziert sein.

Denis Gruber (SPD), 1. Beigeordneter des Landrates und für den Bereich Abfallentsorgung zuständig, kennt diese Einwände. Darum die Frage an ihn: Wird jetzt, gut ein Jahr nach Einführung der gelben Tonne, geprüft, ob zum Beispiel der Abholrhythmus verkürzt werden sollte? Aktuell nicht, denn der laufende Vertrag zwischen der Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH (DSD) als Auftraggeber und dem in Tangerhütte ansässigen Unternehmen Cont-Trans laufe drei Jahre, von 2015 bis 2017, für die Entsorgung bei den Privathaushalten. „Wenn danach ein neuer Vertrag verhandelt wird, könnte man über einen anderen Turnus reden“, sagte Gruber. Der jetzige Rhythmus sei aber eine Vorgabe des Dualen Systems gewesen und damit in der Abstimmungsvereinbarung mit dem Landkreis festgelegt worden. Stichwort Vertrag: Der besteht direkt zwischen DSD und dem Entsorger. Gruber: „Die gelbe Tonne ist nicht kommunal.“ Heißt: Anders als bei Restmüll-, Papier- und Bioabfalltonne liegt die Abwicklung nicht in den Händen der ALS.

In deren Abfallkalender gibt es aber die Information, dass jedem Haushalt pro Person und Woche zehn Liter Volumen zur Entsorgung von Leichtverpackungen zur Verfügung gestellt werden – in 240-Liter-Tonnen. Das stelle den durchschnittlichen Bedarf dar, erklärte Norman Mattke, Projektleiter Entsorgung bei der Cont-Trans. Das Duale System orientiere sich am Durchschnittsverbraucher, nicht an der Spitze. Wenn die Tonne nicht reicht, weil zum Beispiel Weihnachten wegen der Geschenke mehr Verpackungen anfallen oder sich jemand neue Möbel gekauft hat, dann sei eine Beistellung von durchsichtigen Säcken möglich. Norman Mattke klassifiziert diese Beistellung als „Mehrbedarf, der nicht ständig anfällt“. Zur Regel sollte es nicht werden, denn, so der Projektleiter: „Wir haben keine Sackentleerung mehr im Landkreis.“ Wer mehr entsorgen möchte, könne die Leichtverpackungen außerdem zu einem der Wertstoffhöfe bringen.

Denis Gruber beantwortet die Mengenfrage mit der Verpackungsverordnung. Im Paragraf 6, Absatz 3 heißt es: „Ein System hat … die regelmäßige Abholung … in ausreichender Weise zu gewährleisten.“ Das sieht er gegeben, denn nirgendwo werde eine konkrete Literzahl angegeben.

Das viel größere Problem für den Entsorger sind die Fehleinwürfe. Lebensmittel, Schleifscheiben, Windeln, Tampons, Tapetenreste, Bauschutt, bergeweise Zigarettenkippen – die Aufzählung dessen, was die Mitarbeiter in den Tonnen und Säcken finden, dort aber nicht hineingehört, ist lang. Wird es gesehen, bleibt die Tonne voll stehen und bekommt einen roten Reklamationsaufkleber. „Es werden keine Fehlwürfe herausgenommen“, so Mattke.

Cont-Trans bekommt dann regelmäßig Beschwerden und Anrufe, dass doch alles in Ordnung sei. Dass es das nicht ist, dokumentieren die Mitarbeiter. Zuerst gibt es eine Sichtkontrolle: Der Deckel wird angehoben, wenn notwendig, die obere Tüte. „Bei einem berechtigen Anlass folgt dann eine intensive Nachsuche“, erklärte Norman Mattke. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, werden Fotos vom Inhalt gemacht, wird die Adresse in einer Liste notiert, kommt der Mängelschein an die Tonne.

Etwa 50 000 bis 60 000 Leerungen von gelben Tonnen gibt es pro Monat im Landkreis. Bei den meisten Fehlwürfen lasse sich das Problem schnell mit einer Erklärung beheben, wenn der Verursacher zum Beispiel in der (falschen) Annahme, alles aus Plastik gehöre in die gelbe Tonne, etwas eingeworfen hat, was nicht hinein gehört. Und dann gibt es „Wiederholungstäter“, denen mitunter die Tonne entzogen wird. Mattke: „Die Cont-Trans ist nie der Verursacher.“ Und er fügt hinzu: „Das System lebt vom Mitmachen. Aber man kann das System nicht nutzen, wie man möchte.“

Dürfen die überhaupt in meine Tonne schauen? Gehört der Abfall noch mir, solange er in der Tonne ist und dürfte gar nicht „durchwühlt“ werden? Diese Fragen stellt sich der Stendaler Thomas Larek, der als Mieter und Hausverwalter damit konfrontiert wurde, dass wegen Fehlbefüllung von sieben Tonnen vier nicht entleert wurden. Ja, sagte Norman Mattke, die Cont-Trans-Mitarbeiter seien zur Kontrolle berechtigt und verpflichtet, die Kontrolle sei sogar Vertragsbestandteil. Das bestätigte Norbert Völl, Sprecher von Der Grüne Punkt: „Mit den kommunalen Spitzenverbänden wurde abgesprochen, dass der Entsorger kontrollieren darf.“ Kontrolle heiße aber nicht Durchwühlen. Wenn „gravierend fehlbefüllt“ wurde, dann bleibe die Tonne stehen, so Völl. Die Kontrollen, versichert Norman Mattke, seien keine Schikane. Aber bei der Anlieferung in der Sortieranlage werden die Fahrzeuge auch kontrolliert – und wenn Fehleinwürfe festgestellt werden, wird die Ladung nicht abgenommen.

Und wem gehört der Tonneninhalt nun? „Dem Entsorger“, sagt der DSD-Sprecher, denn mit dem Einwurf habe der Kunde den „deutlichen Hinweis gegeben, dass er die Verpackung an den Entsorger übergeben möchte“.

Zurück zu Thomas Larek und seinem konkreten Fall. Weil die gelbe Tonne grundstücksgebunden und nicht wie die anderen Tonnen an Haushalte gebunden ist, nutzen mehrere Mietparteien eine gelbe Tonne. Dann der Fehlwurf – aber wer war es? Dürfen nun alle bestraft werden, auch die, die richtig entsorgt haben?, fragt der Stendaler. Norbert Völl kennt diese Frage, aber kein Patentrezept. Solche Situationen seien nicht schön, aber im Zweifel müsse der Vermieter oder sein Hausverwalter dafür Sorge tragen, dass die Tonne ordnungsgemäß befüllt ist. Thomas Larek sieht das anders: Wenn man schon mit anderen eine Tonne teilen muss und nicht klar nachgewiesen werden kann, wer den Fehleinwurf verursacht hat, müssten zumindest die korrekt eingeworfenen Leichtverpackungen entsorgt werden. Die Richtig-Entsorger dürften nicht bestraft werden.

Richtiger Inhalt, auch der beschäftigt Thomas Larek. An einer Stelle habe man ihm gesagt, nur Verpackungsabfall mit dem grünen Punkt gehöre in die Tonne. Stimmt das? „Nein, natürlich nicht, auch andere Leichtverpackungen gehören dazu“, antwortete Norbert Völl. Denn zum einen müssen Leichtverpackungen seit einiger Zeit nicht mehr dafür gekennzeichnet werden, zudem gibt es neben dem Grünen Punkt in Deutschland noch neun weitere lizensierte Systembetreiber.