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Stadtratswahl Keine unbeobachtete Stimmabgabe

Die Stendaler Stadtratswahl ist ungültig. Dieses Urteil fällte das Verwaltungsgericht.

16.05.2016, 23:01

Stendal/Magdeburg l 15 Stühle um zwei zusammengestellte Tische drapiert – so saßen sich 13 Stendaler FDP-Mitglieder am 9. April 2015 gegenüber, als sie im Jägerzimmer des Hotels „Am Bahnhof“ ihre Kandidaten für die wegen der Briefwahlfälschung nötig gewordene Wiederholung der Stadtratswahl am 21. Juni 2015 aufstellten.

Eine folgenschwere Konstellation, die nach dem Urteil des Magdeburger Verwaltungsgerichts zur Ungültigkeit der gesamten Wahl führt (Volksstimme berichtete).

Ihre Entscheidung vom 20. April begründete die 9. Kammer unter Vorsitz von Richter Uwe Haack jetzt in ihrem 13-seitigen Urteil, das vor Pfingsten verschickt wurde.

Das fünfköpfige Gericht rügt, dass bei der Kandidatenaufstellung der Liberalen „gegen den Grundsatz der geheimen Abstimmung verstoßen wurde“. So sei „nach den örtlichen Gegebenheiten und der konkreten Durchführung eine unbeobachtete Stimmabgabe nicht gewährleistet“ gewesen.

Das Gericht vermag es daher „nicht auszuschließen, dass die Teilnehmer, welche um einen Tisch saßen, in das jeweilige Abstimmungsverhalten ihres Sitznachbarn oder auch ihres Gegenübers Einsicht nehmen“ konnten. Auch bei einer „Abschirmung der persönlichen Abstimmung mittels Hand“ sei „dies nur in eine Richtung möglich, so dass von anderer, nicht verdeckter Seite weiterhin die Möglichkeit der Einsicht bestand“.

Kurzum: Das Gericht wirft den Stendaler Liberalen vor, „dass sie den Schutz ihrer Abstimmung nicht hinreichend bedacht und somit entsprechende Abschirmungsmaßnahmen gar nicht getroffen haben“. Möglicherweise hätte es ansonsten andere Abstimmungsergebnisse oder gar eine andere Reihenfolge der Liste ergeben.

Die Konsequenzen des Urteils sind weitreichend: „Diese fehlerhafte Abstimmung (...) hat sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung (...) ein anderes Ergebnis der Wahl zustande gekommen wäre.“ Nach Paragraf 52 des sachsen-anhaltischen Kommunalwahlgesetzes bedeutet dies: Die Wahl vom 21. Juni ist ungültig und muss komplett wiederholt werden.

In ihrem Urteil, das sich auf zahlreiche andere Fälle und Auslegungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht stützt, stellen die Richter fest: „Die Annahme, eine andere Kandidatenaufstellung in dem Wahlvorschlag der FDP hätte nicht zu einem anderen Wahlergebnis der Stadtratswahl geführt, ist wesentlich fernliegender, als dessen gegenteilige Annahme“.

Dass jeder Liberale die Namen der Kandidaten per Hand auf unbedruckte Stimmzettel geschrieben hat, ist für das Gericht hingegen kein Verstoß. Die Stimmzettel seien hinterher nicht einsehbar und damit auch kein Stimmverhalten Einzelner nachträglich rekonstruierbar gewesen.