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Landesmeisterschaft Mit klaren Kommandos zum Ziel

Beim Hütewettbewerb in Iden zeigen die besten Schäfer Sachsen-Anhaltes, was ihren Berufsstand ausmacht.

Von Bernd-Volker Brahms 08.08.2017, 01:01

Iden l Ruhigen Schrittes bewegt sich Schäfer Mario Wehlitz über die grüne Wiese. Er muss 250 Schafe im Griff halten. Mit dabei hat der 51-jährige Schäfer aus Brambach zwei Hunde, es sind der siebenjährige „Jack“ als Haupthund und der zweijährige „Max“ als Beihund. Beides sind Altdeutsche Hütehunde vom Schlag Gelbbacke. Mit seinem Schäferstock zeigt Wehlitz den Hunden an, was zu tun ist. Jahrelanges Training zahlt sich aus.

Auf dem Gelände der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) werden an diesem Tag die Landes- meisterschaften im Schafehüten ausgerichtet. Sechs Schäfer aus Sachsen-Anhalt haben sich durch Vorentscheide für den Wettkampf qualifiziert. Der Sieger des Turniers darf im September zum Bundeshüten nach Hessen fahren. Iden ist zum vierten Mal Austragungsort der Landesmeisterschaft, zuletzt war dies 2011 der Fall. 2005 wurde dort sogar schon einmal des Bundeshüten ausgerichtet.

„Es hat viel mit Glück zu tun“, sagt Schäfer Mario Wehlitz, der 1982 in die Lehre ging und das Schäferhandwerk erlernte, seit 1989 nimmt er an Wettkämpfen teil. Zahlreiche Faktoren wirken sich auf das Verhalten der Hunde und vor allem der Schafe aus. Dazu gehören vorrangig das Wetter und die Tageszeit. Die Startreihenfolge wird daher ausgelost. In der Regel ist ein späterer Startplatz von Vorteil, da die Schafe dann den Weg bereits kennen, den sie zurücklegen sollen.

Ungeliebt ist Startplatz Nummer eins. Den muss am Sonntag Rüdiger Kassuhn aus Iden übernehmen. „Es ist meine Herde, daher muss ich nach den Regeln des Wettbewerbs beginnen“, sagt er. Er kennt die Tiere, doch der Vorteil ist nur gering. Die Herde besteht aus 250 Merino- beziehungsweise schwarzköpfigen Fleisch- sowie Leineschafen. „Ich bin froh, wenn ich nicht den letzten Platz belege“, sagt der Mecklenburger, der Mitte der 1990er Jahre in die Altmark kam. Daraus wird am Ende leider nichts.

Rüdiger Kassuhn hat alle Hände voll zu tun. Er hat die Veranstaltung, zu der am Ende rund 400 Zuschauer gekommen sind, federführend organisiert. Nach absolvierter Wettbewerbsteilnahme gleich früh um 10 Uhr zeigt der Schäfer zu zwei Terminen an diesem Tag auch interessierten Besuchern den Schafstall in Iden, der mit moderner Computertechnik ausgestattet ist. Seit 2011 werden dort Schafe gehalten, nachdem der Schafstall Jahrzehnte lang ein Versuchsstall für die Rinderzucht gewesen ist.

Das Wettbewerbsgelände befindet sich gleich neben dem Schafstall. Über ein Mikrofon informiert Hüteleiter Christian Rüdiger aus Stendal das Publikum über das Geschehen auf der Wiese. „Ich war Chef über 400.000 Schafe“, sagt der Rentner. 35 Jahre lang war er Zuchtleiter im ehemaligen Bezirk Magdeburg und Dezernent für Kleintiere in Iden. „Das Zusammenspiel zwischen Mensch, Hund und Schafen ist das Besondere am Hüten“, sagt Rüdiger.

Heute gibt es noch rund 5700 Schafhalter in Sachsen-Anhalt, sagt der Geschäftsführer Hans-Jörg Rösler des Landesschafzuchtverbandes. Von rund 425 Betrieben mit mehr als 20 Schafen oder 10 Hektar Land würden gerade einmal noch rund 150 Betriebe ihren Lebensunterhalt mit der Schafzucht verdienen. Von diesen würden wiederum lediglich noch etwa 50 Betriebe die Schafe traditionell hüten.

„Das Schafehüten wird immer mehr zur Nostalgie“, sagt Andreas Schmidt, der Vorsitzende des Altmärkischen Vereins für Schafzucht und Schafhaltung, dem 54 Mitglieder angehören. „Die Gesellschaft muss sich entscheiden, ob sie Landschaftspflege durch Schafzucht haben möchte“, sagt Rösler. Mit dem Land werden immer wieder die finanziellen Sätze neu ausgehandelt, die die Schäfer für ihre Arbeit bekommen. „Wir sind unzufrieden mit der jetzigen Situation“, gibt Rösler zu. Als ein gravierendes Problem und ein großer Kostenfaktor stellt sich der immer zahlreicher auftretende Wolf dar. „Für Herdenschutzhunde muss man mindestens 2000 bis 2500 Euro Unterhalt im Jahr kalkulieren“, so der Geschäftsführer.

„Wer sich mit Schafzucht beschäftigt, hat einen kleinen Schuss, sonst würde man das nicht alles auf sich nehmen“, sagt Rüdiger Kassuhn. Die Schäfer seien mit viel Leidenschaft dabei.

Wie professionell die Schäfer arbeiten, das können die Zuschauer bei den Landesmeisterschaften beobachten. Das Publikum ist fachkundig, viele sind selbst Schäfer, wie sie mit Tracht und Stock demonstrieren. Letzterer ist entweder mit einer kleinen Schaufel oder einem Haken ausgestattet.

Alle Teilnehmer müssen die Schafherde eine Stunden lang über einen Parcours führen und Aufgaben lösen. So fährt zweimal ein Auto an der Herde entlang. Die Aufgabe des Schäfers ist es dabei, in der Situation die Tiere beisammen zu halten.

Bei Mario Wehlitz büchst ein Schaf aus, als das Auto vorbeifährt. Blitzschnell hat „Jack“ das Tier wieder zur Herde zurückgeholt. Abzüge in der Bewertung gibt es von den Wettkampfrichtern trotzdem. „Meine Hunde sind temperamentvoll, die Herde kennt eher ruhigere Tiere“, sagt Wehlitz. Dies sei ein Nachteil. Am Ende belegt er Platz drei.