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Ärztin stellt in diesem Monat ihre Tätigkeit als Allgemeinmedizinerin in Stendal ein 330 Patienten brauchen neuen Hausarzt

Von Volker Langner 10.10.2013, 03:10

Eine Hausarztpraxis, die im Komplex des Johanniter-Krankenhauses in Stendal angesiedelt war, hat ihre Arbeit eingestellt. Knapp 330 Patienten müssen sich einen neuen Arzt ihres Vertrauens suchen.

Stendal l Die böse Nachricht kam mit der Post. "Am 27. September erhielt ich Post vom Medizinischen Versorgungszentrum. Darin wurde mir mitgeteilt, dass Frau Hering ihre hausärztliche Tätigkeit zum 30. September einstellt. Ich wurde gebeten, mir einen anderen Hausarzt zu suchen", schildert Christine Schlieker aus Stendal. Gleiches berichtet die Stendalerin Karin Popp. Sie erreichte die Hiobsbotschaft erst am 2. Oktober.

Insgesamt knapp 330 Stendaler und Patienten aus umliegenden Orten erhielten solche Schreiben vom Johanniter-Zentrum für Medizinische Versorgung in der Altmark (JZMV), wie JZMV-Koordinatorin Ina Hanuse auf Volksstimme-Nachfrage informierte.

Nachfolger für Kardiologen musste her

Auslöser für die Schließung der Hausarztpraxis ist der Weggang von Dr. Michael Krauß aus Stendal, der in der Stadtseeallee praktizierte. Der einzige niedergelassene Kardiologe, also Herzspezialist, im Landkreis Stendal trat eine Chefarztstelle in Bayern an. Ein Nachfolger wurde trotz seiner Bemühungen und bundesweiter Ausschreibung nicht gefunden.

Deshalb verfolgte das JZMV den Plan, dass Margret Hering die vakante Stelle des Kardiologen zumindest als halbe Stelle übernimmt, erzählt Prof. Dr. Jens Bahnsen, stellvertretender ärztlicher ZMV-Leiter. Die ausgebildete Kardiologin hatte bislang eine halbe Stelle in der Kardiologie des Krankenhauses besetzt und seit Mitte 2007 die halbe Stelle als Hausärztin in der Praxis, die sich in der Klinik befindet und in der Verantwortung des ZMV liegt.

Doch der Plan ging nicht auf. Die Zulassungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt - besetzt mit Krankenkassen, Ärzten und Patientenvertretern - wandte sich im September gegen die Vergabe einer halben Stelle eines niedergelassenen Kardiologen. Ganz oder gar nicht. "Das war dann eine Abwägungsfrage", erklärt Dr. Jörg Böhme.

Unterversorgung mit Hausärzten

Für den Kreisstellensprecher Stendal der Kassenärztlichen Vereinigung, der selbst als niedergelassener Allgemeinmediziner in der Rolandstadt tätig ist, war die Entscheidung für die Besetzung der Kardiologiestelle logisch. "Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, dann wäre diese halbe Stelle für den Kreis für immer verloren", sagt er. Denn rein statistisch ist der Landkreis Stendal mit Fachärztlichen Internisten - dazu zählen Kardiologen - überversorgt.

Konsequenz: Margret Hering wird nach ihrem Urlaub in der Praxis Herzpatienten betreuen, aber nicht mehr als Hausärztin zur Verfügung stehen. Ihre bisherigen Patienten müssen sich auf Hausarztsuche begeben. Ein schweres Unterfangen. Karin Popp handelte sich bereits eine Vielzahl von Absagen in Stendaler Praxen ein, obwohl sie selbst Medikamente für eine Schilddrüsenerkrankung benötigt und ihr Mann unter anderem gegen Diabetes. Sie ist ratlos.

"Es ist nicht so, dass wir Hausärzte nichts zu arbeiten hätten", erklärt Böhme, "wenn wir eine Aufgabe übernehmen, dann voll und ganz. Nur ein bisschen geht nicht." Er verweist auf die Unterversorgung mit Hausärzten in der Region. Die Gründe dafür seien vielschichtig, reichten von der Diskussion um die Schließung der Uniklinik Halle bis zur Bürokratie, die den Ärzten abverlangt werde, so Böhme.

Dr. Böhme: Auch Kassen in der Pflicht

Bahnsen sieht es ähnlich und schätzt ein: "Die Allgemeinmedizin leidet Not, besonders im ländlichen Raum." Wie er sagt, zieht es immer mehr Mediziner in die Verwaltung. Ein Grund: die Einengung durch die Budgetierung der ärztlichen Leistungen.

Einen Ärzte-Notstand spüren nun Christine Schlieker und Karin Popp sowie weitere ehemalige Patienten der JZMV-Allgemeinmedizin. Wo finden sie Hilfe? "Ich denke und hoffe, das Problem löst sich in den nächsten Tagen", sagt Böhme. Er macht aber klar: "Der Patient muss natürlich laufen." Er rät, jenen die vergebens "laufen", sich an die Kassenärztliche Vereinigung in Magdeburg, Telefon (0391) 6276000 zu wenden. Und sie sollten auch ihre Krankenkassen in die Pflicht nehmen, die "schließlich für ihre Patienten da sein sollten".

Ein wenig glimmt die Hoffnung, dass die nun verwaiste Hausarztstelle wieder besetzt wird. Das JZMV schreibt jedenfalls in seinem Patientenbrief, es sei "bestrebt, schnellstmöglich eine Nachfolge für Frau Hering zu finden". Ines Donner, stellvertretende Direktorin des Johanniter-Krankenhauses, versichert zudem: "Auch die Suche nach einem Kardiologen wird fortgesetzt."

Für Schlieker und Popp indes ist wichtig, dass sie nicht in der Luft hängen.