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Evangelische Kirchengemeinde hält Pläne für Umbau und Sanierung des Christophorus-Hauses in den Händen 400 Jahre altes Haus wird Gemeindezentrum

Von Anke Hoffmeister 16.10.2010, 06:15

Das Christophorus-Haus auf dem Tangermünder Pfarrhof gehört zu den ältesten noch erhaltenen Wohngebäuden in Tangermünde. Vor etwa 400 Jahren wurde es errichtet. Nach Jahrzehnten der Missachtung soll es jetzt große Aufmerksamkeit erfahren, saniert und umgebaut werden. Die evangelische Kirchengemeinde St. Stephan möchte darin ihr Gemeindezentrum errichten. Eine Million Euro wird das Projekt kosten.

Tangermünde. Es fällt nicht auf, das Christophorus-Haus auf dem Tangermünder Pfarrhof. Es ist eher ein Haus zum Weg- als zum Hinschauen. Sein äußerer Zustand erinnert an tiefste DDR-Zeiten, als Bauwerke vergangener Jahrhunderte meist sich selbst überlassen waren. "Eigentlich gehört es zusammengeschoben", bringt es ein Tangermünder auf den Punkt. Doch so einfach ist das nicht. Das Christophorus-Haus trägt 400 Jahre Geschichte in sich. Könnten Treppenstufen, Hausbalken, Mauersteine reden – sie wären neben denen in den Kirchen der Stadt jene, die mit das meiste zu berichten hätten. Außerdem gehört die im Jahre 1609 als höhere Gelehrtenschule für Knaben errichtete Baukunst zum Ensemble des Pfarrhofes, hat ihren Platz zwischen Pfarrhaus und St. Stephanskirche.

"Jede Stufe knarrte, keine knarrte nicht"

Das im Sommer hinter einer großen Kastanie versteckte Haus weckt Erinnerungen bei all jenen Tangermündern, die hier die Zeit ihrer Christenlehre und Konfirmation verbracht haben. So erinnert sich Hans-Dieter Hüfken noch genau an die knarrenden Treppenstufen, die zum Raum im ersten Obergeschoss führten. "Jede Stufe knarrte anders, keine knarrte nicht – und dann stand ich vor einer windschiefen Tür mit dem schwarzen Plasteschild ,Christenlehre‘. Ich ahnte nicht, dass mir diese Räume im Obergeschoss des alten grauen Hauses einmal sehr lieb und vertraut werden würden", schreibt Hüfken. Auch Wanda Boymann, die vor wenigen Wochen verstorben ist, verband mit dem Christophorus-Haus ein ganz enges Verhältnis. 34 Jahre lang hatte sie hier zusammen mit Erna Dimitroff Kinder und Jugendliche betreut, ihnen Bibelzeiten angeboten, mit ihnen Christenlehre und Konfirmation durchlebt.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts diente das Haus als Schule. Mehrfach war es umgebaut worden. Zuletzt sollten 368 Mädchen und Jungen in vier Klassen hier Platz finden. Mit dem Bau der Schule in der Lindenstraße wurde die auf dem Pfarrhof geschlossen. 1931 entschied sich der Gemeindekirchenrat gegen ein Gemeindehaus, aber auch gegen den Abriss und beschloss, Wohnungen zu integrieren. Erst 1951 erhielt der Bau von 1609 den Namen Christophorus-Haus. Wenige Jahre nach der Wende zog die Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes im Erdgeschoss ein. Von 2005 bis 2009 war auch die Tafel hier untergebracht.

Heute befindet sich das 400 Jahre alte Haus in einem sehr angegriffenen baulichen Zustand. Der Gemeindekirchenrat hat sich jedoch dazu entschlossen, das Gebäude wieder mit Leben zu erfüllen, darin ein Gemeindezentrum zu errichten. Nach der umfassenden Sanierung und teilweisen Erneuerung der zum Teil maroden historischen Bausubstanz wird die evangelische Kirchengemeinde hier künftig ihr Domizil haben.

Im Erdgeschoss entsteht in der südlichen Haushälfte ein barrierefreier Gemeindesaal für bis zu 100 Personen. Dieser wird durch einen eingeschossigen Anbau zwischen Christophorus- und Pfarrhaus ergänzt. Hier wird der Altarraum seinen Platz bekommen. Er dient zugleich als Verbindung zu den Räumen an der Stadtmauer. Sie werden nach der Sanierung als Vorbereitungsraum, Sakristei und Lagerraum zur Verfügung stehen.

Die historische Treppe bleibt erhalten. Über sie gelangt man weiterhin in das Obergeschoss. Vis-a-vis zum Gemeindesaal entsteht ein Versammlungssaal, in dem zugleich eine Küche integriert ist. Die sanitären Einrichtungen werden an der Rückseite des Hauses ihren Platz bekommen.

Im Obergeschoss entstehen drei Räume. Zwei davon, die sich über dem Versammlungsraum und den Sanitäranlagen des Erdgeschosses befinden, können zusammengelegt werden. Bis zu zwölf Personen würden hierin Platz finden, wenn beispielweise eine Pilgergruppe nach einer Übernachtungsmöglichkeit sucht. Für Pilger sind im Obergeschoss außerdem zwei sogenannte Duschbäder geplant. Die Küche im Erdgeschoss könnten sie mitbenutzen.

Über dem Gemeindesaal im Erdgeschoss entsteht nach dem Entwurf im Obergeschoss ein größerer Versammlungsraum.

Das Dachgeschoss selbst bleibt ungenutzt. "Der Ausbau hätte noch einmal 500 000 Euro mehr gekostet", berichtet Pfarrer Jürgen Weinert. Ursprünglich hatte die Idee bestanden, hier eine Stätte für Pilger einzurichten. Doch zu groß ist der bauliche und damit auch finanzielle Aufwand. Bei dem Ausbau des Daches hätte nämlich ein zusätzlicher Fluchtweg geschaffen werden müssen. So wird der Dachstuhl saniert und das Dach neu eingedeckt.

"Wir hoffen, ab Winter 2011 im neuen Haus zu sein"

Der Entwurf sieht vor, das Fachwerk, das sich an der Vorderseite des Hauses hinter Putz befindet, wieder freizulegen. An der Rückseite des Christophorus-Hauses wird nach den Plänen eine Terrasse entstehen.

Derzeit ist der Gemeindekirchenrat dabei, ein Finanzierungspaket für die Realisierung dieses Projektes zu schnüren. Wer diese Pläne unterstützen möchte, der findet in der St. Stephanskirche eine große Spendentruhe auf der Südseite.

"Wir hoffen, ab dem Winter 2011/2012 bereits in unser neues Gemeindezentrum einziehen zu können", sagt Pfarrer Weinert. In den jetzt kommenden Wintermonaten werden die Christen der evangelischen Gemeinde ihre Gottesdienste noch einmal an einem anderen Ort feiern. Im vergangenen Jahr hatten sie die beheizte katholische Kirche zur Verfügung gestellt bekommen.