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Ältere Arbeitslose Endlich wieder gebraucht werden

Wie sinnvoll sind Förderprogramme gegen Langzeitarbeitslosigkeit? Eine Ausstellung in Stendal porträtiert Betroffene.

Von Nora Knappe 01.05.2019, 01:01

Stendal l Alle sind stolz auf Henry Holland und freuen sich für ihn. Darum reist sein Konterfei nun als Positivbeispiel durchs Land. Die Wanderausstellung „Neuanfang – 14 Geschichten/14 Gesichter“ des Landesarbeitsministeriums erzählt ganz kurz auch seine Geschichte: Der Stendaler, er ist Ende 50, kann nach langer Krankheit nicht mehr in seinem Beruf als Kraftfahrer arbeiten. „Da bin ich rausgefallen“, sagt er und meint den Arbeitsmarkt, das Arbeitsleben. Jetzt soll und kann und möchte er langsam wieder reinfinden.

Seit einem Jahr ist Henry Holland im Landesfeuerwehrmuseum in Stendal beschäftigt. Das Arbeitsmarktprogramm „Stabilisierung und Teilhabe am Arbeitsleben“ über den Träger BBZ Prignitz GmbH hat ihn dorthin verfrachtet. So jedenfalls fühlte sich Holland anfangs, er, der nun mit Feuerwehr so gar nichts am Hut hat. Aber eben mit großen Fahrzeugen und deren Technik. Und um die darf er sich kümmern.

„Er ist für Wartung und Pflege zuständig, macht kleinere Reparaturen, aber kümmert sich auch um die Organisation von Führungen durchs Museum“, beschreibt Museumsleiter Michael Schneider die Aufgaben. Er würde Henry Holland, diesen so scheuen wie herzlich-ehrlichen Mann, gleich da­behalten: „Er hat sich schnell reingefunden, ist teamfähig, nett, blickig, zuverlässig, kann gut organisieren.“

Der Museumsbetrieb war etwas völlig Neues für Holland, aber heute sagt er, dass es für ihn „auch ganz spannend“ sei. Inzwischen leite er sogar andere im Team an. Er selbst spricht da nicht gern drüber, er macht einfach. Aber sein Chef, Michael Schneider, ist voll des Lobes: „Solche Menschen wie ihn braucht man. Schön wäre, wenn er eines Tages bleiben würde. Aber wenn er jetzt doch eine Arbeit finden sollte, ist er weg, das ist klar. Und das ist ihm auch zu wünschen.“

30 Stunden in der Woche ist Henry Holland nun im Museum zugange. Nicht, dass ihm sonst langweilig wäre. Holland sagt von sich, er sei nicht der Typ, der rumsitzt und nichts mit sich anzufangen weiß. „Ich hab‘ eine große Familie und bin Vorsitzender im Gartenverein.“ Die „Gartenfreunde 20“ in Stendal haben immerhin gut 300 Mitglieder, da gibt es genug zu tun. Und doch ist es etwas anderes, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, eine Aufgabe zu erfüllen, stetig gebraucht zu werden. Das unterstreicht auch Michael Schneider: „Er ist wieder mittendrin, das ist echte Teilhabe.“

Henry Holland ist einer von 113 Arbeitslosen im Landkreis Stendal, die von zwei Intensivbetreuerinnen des Amtes für Wirtschaftsförderung und Projektmanagement bei ihrer Wiedereingliederung begleitet werden. „Uns geht es um ihre persönliche Entwicklung und darum, dass sie wieder richtig in Arbeit kommen“, sagt Amtsleiterin Maria Wendt. Auch wenn das Prozedere technisch-bürokratisch kompliziert sei, seien die Förderprogramme effektvoll, unterstreicht Thomas Fronius, der wiederum über den Regionalen Arbeitskreis für die Beantragung zuständig ist. Aus seiner Sicht sind die Ausstellungsporträts „gelebte Beispiele, wie EU-Förderung funktioniert“. Nicht zuletzt ergebe sich für die Landkreise eine finanzielle Entlastung, wenn die Teilnehmer nicht mehr vom Jobcenter betreut werden müssen, sobald sie wieder in Arbeit kommen.

Aber wie realistisch ist es überhaupt, so wie Henry Holland mit fast 60 noch mal im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen? Steve Kanitz vom Jobcenter Stendal schätzt die Chancen nicht als zu schlecht ein. „Die Unternehmen der Region stellen sich mehr und mehr darauf ein, auch Ältere zu beschäftigen, zumal sie die Erfahrung machen, dass die oftmals sogar zuverlässiger sind als jüngere.“ Über das Bundesprogramm "Perspektive 50plus" zum Beispiel habe man „erhebliche Erfolge gehabt“ in der Vermittlung älterer Arbeitnehmer. Auch Thomas Fronius hat die Beobachtung gemacht, dass „der Arbeitsmarkt deutlich durchlässiger geworden“ sei und die Arbeitgeber „viel flexibler bei den Altersgruppen“. Außerdem zögen jüngere Menschen eher fort.