Pilze Auf Pilzjagd ist Vorsicht geboten
Pilzsammler in Scharen schwärmen gegenwärtig aus. Doch Vorsicht ist geboten.
Stendal l Die Bude rennen sie ihm nicht ein. Aber sein Rat ist gefragt. Ein Ehepaar aus Stendal hat sich angekündigt. „Es will auf Nummer sicher gehen, ob es wirklich essbare Champions sind“, sagt Dieter Roloff.
Der 82-Jährige ist Pilzsachverständiger im Landkreis Stendal. Je mehr die Pilze sprießen, je häufiger werde sein Fachwissen in Anspruch genommen. „Das ist auch gut so.“ Wer sich nicht sicher sei, sollte den Weg zu ihm nach Birkholz bei Tangerhütte in die Gartenstraße 10 nicht scheuen. Doch bitte immer den ganzen Pilz mitbringen, sprich ihn aus der Erde möglichst behutsam herausdrehen.
Dieter Roloff nimmt den Pilz stets in Augenschein. Aus der Ferne wie beispielsweise am Telefon gebe er keine Bestimmung ab. Es gebe zwar sogenannte Faustregeln, doch auch ein Sachverständiger müsse auf der sicheren Seite sein. Neben dem Aussehen sei zum Beispiel der Geruch und die Verfärbung von Hut oder Stiel bei Schab- oder Drucktests entscheidend.
Im Falle der zu erwartenden Pilzernte des Stendaler Ehepaares könnte sich durchaus unter die wohlschmeckenden Wiesenchampions ein Karbol-Champignon gemischt haben. Dieser sieht dem essbaren Champion sehr ähnlich, kommt auch im selben Terrain vor. Der Gift-Egerling, wie er auch genannt wird, riecht jedoch zum einen sehr unangenehm nach Phenol, zum anderen „verfärbt sich der Stiel gelb, wenn man daran leicht schabt“, so der Experte.
Was für ihn erstaunlich sei, dass es nach der langen Trockenheit nun doch zu einer „sagenhaften Pilzschwemme“ gekommen sei. Zwar nicht flächendeckend, „doch dort, wo ausreichend Regen niedergegangen ist, haben sich Pilze in kürzester Zeit ausgezeichnet entwickelt“. Zu den Faktoren, die das Wachstum begünstigt haben, gehören Wärme und genügend Nährstoffe. Das rasante Pilzvorkommen könnte aus seiner Sicht erst der Anfang sein, denn die Saison gehe bis in den Dezember hinein.
Zurzeit gedeihen vor allem die Röhrlinge wie der Steinpilz. Aber auch hier sei Vorsicht geboten. Wie der Knollenblätterpilz beim Champion, sei es der Gallenröhrling, der dem Steinpilz als „giftiger Verwandter“ sehr ähnlich ist.
Zu finden seien zudem viele Maronen, „von denen erstaunlich wenige madig sind“. Weiter gehören zu den Röhrlingen, die an den kleinen Röhren auf der Unterseite des Hutes, auch Schwamm genannt, leicht zu erkennen und nur selten ungenießbar oder gar todbringend sind: der Birken-, Sand- und Butterpilz sowie die Ziegenlippe. In den Korb eines erfolgreichen Sammlers könnten zudem der Riesenschirmpilz und, wenn noch vorhanden, der Pfifferling landen. Für Letzteren könnte die Zeit jedoch schon vorbei sein, sagt Dieter Roloff.
Sein ganz persönlicher Lieblingspilz sei der Schopftintling, auch Spargelpilz genannt. Er sei jung – solange der Hut noch geschlossen ist und die Lamellen noch weiß oder rosig sind – ein „ausgezeichneter Speisepilz“.
Wo sie zu finden sind? In dieser Hinsicht hält es der Experte wie jeder leidenschaftliche Pilzsammler. Die Fundstellen bleiben geheim. Dabei gebe es keine Garantie, ob im darauf folgenden Jahr wieder genau an der selben Stelle die Pilze wachsen. Er selbst bevorzuge als Sammler die Gegend um Grieben, Scheeren und Weißewarte. Er wisse aber, dass im Norden der Altmark in den großen Kiefern- und Fichtenforsten zurzeit die Vorkommen sehr gut sind. Auch in Laub- und Mischwäldern strecken Pilze ihre Köpfe gern nach oben.
„Pilze sind einfach geheimnisvoll, sie sind von Natur aus weder Pflanze noch Tier“, sagt Dieter Roloff. Er lassen sich immer wieder von der Faszination treiben und verschlinge Fachliteratur. Dementsprechend umfangreich sei seine Bibliothek. Sein Wissen würde er gern an Jüngere weiter geben, die in seine Fußstapfen treten möchten. „Es ist schwer, Nachwuchs zu finden“, sagt Dieter Roloff, der der einzige Pilzberater im Landkreis Stendal ist. Schlimmer sei es aber, dass Feuerwehren auch diese Sorge haben. „Hier ist es wichtiger, Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren.“ Das Nachwuchsproblem hätten viele Bereiche, auch den Elbechor Bittkau-Grieben, wo Dieter Roloff schon viele Jahre aktives Mitglied ist.
Ein singender Pilzexperte also. Doch wie wird man Sachverständiger? Mit der Aneignung von Wissen zu den unterschiedlichen Arten und dem Ablegen einer Prüfung, sagt Roloff. Organisiert sind die Experten im Landesverband der Pilzsachverständigen. Gegründet wurde er 1993 und hat rund 100 Mitglieder. Die meisten von ihnen führen Pilzberatungen durch. Dies geschieht teilweise in Zusammenarbeit mit den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern. Ein großer Teil der Mitglieder war bereits zu DDR-Zeiten in der Pilzberatung aktiv.
Mitglied in dem Verband kann übrigens jeder Pilzinteressierte werden und so wie die Sachverständigen im Frühjahr und Herbst an den Fachseminaren teilzunehmen. „Dort tauschen wir unsere Erfahrungen aus und erweitern unserer Wissen“, sagt Dieter Roloff, der mit über 80 Jahren von Pilzen nicht genug hat.
Kontakt: Dieter Roloff, Gartenstr. 10, 39517 Birkholz, Telefon: 03935/21 35 47