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Aus Bauernsicht Wildschweine wegen Pest im Visier

Die Afrikanische Schweinepest ist nicht mehr weit entfernt. Der Landkreis Stendal sucht nach antworten.

Von Egmar Gebert 17.01.2018, 18:03

Stendal l Vor zehn Jahren brach die Afrikanische Schweinepest erstmals in Osteuropa aus. Thema in unseren Breiten ist sie allerdings erst, seit sie sich von den Baltischen Staaten her weiter Richtung Süden und Westen ausbreitet, inzwischen bis auf 300 Kilometer an Deutschland herangerückt ist. Erste Landkreise reagierten, so auch der Altmarkkreis Salzwedel, der angekündigt hat, die Kosten für die Untersuchung von Wildschweinfleisch auf Trichinen zu übernehmen.

Das ist auch eine der Forderungen, mit denen der Landesbauernverband und der Landesjagdverband Sachsen-Ahalt am Montag dieser Woche mit einem gemeinsamen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest an die Öffentlichkeit traten (siehe Info-Kasten). Einige der Forderungen dort fanden sich tags darauf im Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest des sachsen-anhaltischen Landwirtschaftsministeriums wieder (die Volksstimme berichtete).

Die Sicht von Günter Scheffler, seines Zeichens Stendaler Kreisjägermeister, auf das Problem ist eine sehr differenzierte. Vor allem – und damit rechnet man wohl eher weniger bei einem Jäger – wenn es um Forderungen nach erhöhten Abschusszahlen beim Schwarzwild geht, um der Einschleppung der ASP vorzubeugen.

Günter Scheffler, der 1200 Jäger vertritt, die auf 225 000 Hektar die Wildbestände zu regulieren versuchen: „Es ist erst mal leicht zu fordern, die Jäger sollen mehr Sauen oder mehr Frischlinge schießen. Dann sollen die Leute, die das fordern, doch mal schauen, wie die Strecken (bei einer Jagd geschossenes beziehungsweise bei Auswertung des Jagdjahres aufgelistetes Wild, d. Red.) aussehen. Das meiste sind doch schon Frischlinge.“ Auch zu der inzwischen fast schon populären Forderung, den Schwarzwildbestand um 70 Prozent zu dezimieren, hat Scheffler eine klare Meinung: „Das versuchen wir als Jäger. Aber irgendwo gibt es natürliche Grenzen. Unsere Jäger gehen in der Regel auch noch einem Beruf nach, können also nicht Tag und Nacht auf der Jagd sein. Was sie leisten können, machen sie. Schon, um die Wildschäden so gering wie möglich zu halten. Das ist das eine. Auf der anderen Seite sind die riesigen Schläge von Mais oder Getreide, die von den Landwirten angebaut werden. In Schlägen von 30 oder 40 Hektar Größe können wir kein Schwarzwild bejagen. Das ist einfach zu groß.“

Hinzu käme, dass diese großen Flächen nicht nur bei einer Getreide- oder Feldfruchtart bestehen, sondern den ganzen Sommer über zum Landschaftsbild gehören, sei es beim Mais, oder Raps, oder ... „Da drin lebt das Schwarzwild von Mitte Mai bis Ende September wie im Eldorado. Und die Jäger können dagegen gar nichts machen.“

Die Forderungen von Bauern- und Jagdverband seien trotzdem sinnvoll. Scheffler bezieht das zum Beispiel auf die Einrichtung von Bejagungsschneisen in Maisschlägen, die richtiger Weise schon mit der Aussaat angelegt werden sollten. Allerdings kann er die Frage, ob die Übernahme der Kosten für die Trichinenbeschau sinnvoll ist, nicht eindeutig beantworten. „Ich sage mal jein. Dazu müsste man erst einmal analysieren, wie viele Tiere im Jagdjahr von den Jägern zur Trichinenuntersuchung gebracht werden. Das wenigste Wild verwerten die Jäger doch selbst. Das meiste verkaufen sie an Händler und dann ist die Trichinenuntersuchung deren Sache. Meine persönliche Meinung: Durch so eine Kostenübernahme wird die Strecke nicht steigen. Das bringt nicht viel.“

Und noch eine Überlegung bringt Scheffler ins Gespräch, wenn es um die Prävention, also darum geht, der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest durch vorbeugende Maßnahmen entgegenzuwirken. „Das Problem ist der Mensch. Er schleppt die ASP ein, mit Anhaftungen an Fahrzeugen, weggeworfenen Lebensmitteln und so weiter. Schwarzwild ist standorttreu. Das wandert zwar auch, aber nicht in Sprüngen von hunderten Kilometern in denen sich die ASP ausgebreitet hat. Erst in Lettland, dann in Polen und jetzt schon in der Tschechischen Republik. Das zeigt doch eindeutig, dass ASP durch den Menschen verbreitet wird.“

Der Kreisbauernverband Stendal sieht sich konform mit den Forderungen. 20 Landwirtschaftsbetriebe sind laut Geschäftsführerin Kerstin Ramminger auf die Haltung oder Zucht von Schweinen spezialisiert, halten mehr als 71 500 Tiere. Für diese Betriebe kann ASP, die für Menschen zwar ungefährlich, aber für Schweine fast hundertprozentig tödlich ist, existenzbedrohend sein. „Wir müssen dringend etwas tun, das ist wichtig. Informationen an die Betriebe müssen schnellstens raus“, sagt Ramminger, die in diesem Zusasmmenhang auch in der Frage von Kostenübernahmen für Jäger und Landwirte geklärt haben möchte.

Erste Antworten darauf hat Kerstin Ramminger seit gestern. Das Landwirtschaftsministerium hat seinen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest veröffentlicht, in dem unter anderem auch die Kostenregelung für das Anlegen von Bejagungsschneisen in Maisfeldern geregelt ist und Prämien von 50 Euro pro aufgefundenem und beprobtem toten Wildschwein angekündigt werden (die Volksstimme berichtete).

Gerade letztere Regelung sei „wirklich zielführend“, kommentierte Kreistierarzt Dr. Thoralf Schaffer gestern im Gespräch mit der Volksstimme und erklärte, warum. Die Erfahrungen in den Ländern, in denen die ASP bereits ausgebrochen ist, würden zeigen, dass von den lebend geschossenen Wildschweinen weniger als ein Prozent betroffen sind. Bei den tot gefundenen Wildschweinen, dem sogenannten Fall- oder Unfallwild, seien mehr als 80 Prozent von ASP befallen. Von diesen Tieren Tupferproben untersuchen zu lassen, sei demnach sehr sinnvoll. Schaffer: „Wenn wir die ASP haben, dann finden wie sie dort.“ Auf diesen Fall vorbereitet sieht Kreistierarzt Schaffer den Landkreis bereits heute. Die Überwachung der Schweinehaltungshygieneverorndnung stehe bei jedem Besuch in einem solchen Betrieb auf der Tagesordnung. Zudem sei das im ureigensten Interesse der Schweinehalter.

„Diese Verordnung verlangt vom Schweinehalter, mal in einem Satz gesagt, alles zu tun, damit keine Seuche in seine Schweineanlage hinein- oder aus ihr herauskommen kann. Wenn Sie heute in so eine Schweineanlage hineinwollen, dann müssen Sie sich reinduschen. Das heißt, Sie ziehen sich komplett aus, bevor Sie den Stall betreten, duschen und werden sich danach dann komplett neu anziehen, von der Unterwäsche bis zur Arbeitskleidung, bevor Sie den Bereich betreten. Und wenn Sie die Anlage verlassen wollen, dann auch nur auf diese Weise.“

Unabhängig davon wird es eine Gesprächsrunde geben, zu der die Schweinehalter des Landkreises, der Kreisjägermeister und der Kreistierarzt eingeladen werden. „Ganz einfach, die Leute müssen Bescheid wissen, auch darüber, ob und welche Einschränkungen für uns zu erwarten sind. Darüber wollen wir reden“, sagt Frank Wiese, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, der diese Gesprächsrunde angeregt hat. Einen konkreten Termin dafür gab es gestern noch nicht.