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Bittkau Offene Fragen nach Großbrand

Nach dem Großbrand in Bittkau im Landkreis Stendal bleiben Fragen offen. Zumal an diesem Tag extreme Bedingungen herrschten.

Von Regina Urbat 04.07.2019, 15:00

Bittkau/Stendal l Die Spuren der Verwüstung, die der Großbrand am Sonntag in Bittkau angerichtet hat, sind noch allgegenwärtig. Ein großes Mitgefühl gilt den Betroffenen, allen voran der Familie, die Hab und Gut bei dem Feld- und Waldbrand verloren hat.

Auf einem Acker am Ortsrand war gegen 14 Uhr während der Erntearbeit eine Strohpresse in Brand geraten, das Feuer breitete sich auf dem Stoppelfeld blitzschnell aus, begünstigt durch die Hitze und vor allem durch den starken böigen Wind an diesem mit 40 Grad Celsius extrem heißen Junitag. Ein Feuerwalze fraß sich den Weg durch ein Waldstück bis in den Tangerhütter Ortsteil – auf vier Grundstücken wütete das Feuer. Ein Wohnhaus wurde Opfer der Flammen, zwei Scheunen, mehrere Nebengelasse und Anpflanzungen auf Gärten wurden zerstört. Menschen sind zum Glück nicht verletzt worden. Die Schadensumme soll laut Schätzung der Polizei im sechsstelligen Bereich liegen.

Der Großbrand in Bittkau, bei dem knapp 250 Feuerwehrkameraden, Rettungskräfte, Bundeswehr, Landwirte und freiwillige Helfer im Einsatz waren und laut Experten Schlimmeres verhindert haben, lässt jedoch Fragen offen. In erster Linie in Hinblick einer schnellen und ausreichenden Löschwasserversorgung sowie der technischen Ausstattung der Feuerwehren, um zukünftig für Feld- und Waldbrände von großem Ausmaß gewappnet zu sein. Und zu Vorgaben für Landwirte, wenn die höchste Warnstufe für Waldbrandgefahr, wie an dem Sonntag, ausgerufen ist.

„Fakt ist, der Löscheinsatz in Bittkau war nicht alltäglich“, sagt Sebastian Stoll, Chef des Kreisordnungsamtes in Stendal. Deshalb lobte er gegenüber der Volksstimme die „ausgezeichnete Zusammenarbeit“ aller Beteiligten, bevor er auf Schwachstellen zielte. „Für die Brandbekämpfung großer Flächen fehlen ganz einfach Löschtankfahrzeuge mit viel Volumen.“ Schlauchleitungen von zwei, drei Kilometer Länge „können im Normalfall helfen, aber nicht in Krisenzeiten wie anhaltende Trockenheit“.

Dass mit Letzterem zunehmend zu rechnet ist, davon geht Stoll aus. „Es bleibt brenzlig.“ Deshalb sieht er neben einer besseren technischen Ausstattung von Feuerwehren auch die Landwirte mit in der Verantwortung. Gesetzliche Vorschriften für sie, „die gab es früher“, sagt Stoll. Beispielsweise musste bei extremer Trockenheit zur Ernte stets die Feuerwehr dabei sein. „Das ginge heutzutage mit Ehrenamtlern gar nicht mehr.“ Deshalb liege es allein im Ermessen des Landwirts, sich Kameraden von der Feuerwehr zur Unterstützung zu holen oder einen Wasserwagen mit aufs Feld zu nehmen. Auf beides wurde nach bisherigen Erkenntnissen in Bittkau verzichtet, wobei dem Landwirt dafür offensichtlich kein Vorwurf zu machen ist.

Ein generelles Verbot, bei höchster Waldbrandgefahr die Ernte einzubringen, gibt es nicht. „Es gibt jedoch Forderungen aus der Waldbrandschutzverordnung, die unbedingt einzuhalten sind“, sagt Kerstin Ramminger, Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Stendal. So müsse bei der Ernte unmittelbar nach Anschnitt des Getreides am Feldrand, der an einem Waldstück angrenzt, ein sogenannter Pflugstreifen gezogen werden. Konkret gilt diese Forderungen für Feldränder in geringerem Abstand als 30 Meter zum Wald. Der schwarze Streife, wie er auch genannt wird, muss mindestens fünf Meter breit sein. Halten sich die Landwirte daran nicht, „droht ihnen eine Bußgeld in Höhe bis zu 50 000 Euro“, betont Kerstin Ramminger.

Die Geschäftsfüherin habe auf Bitte des Forstamtes am Dienstag in einem Rundschreiben an die 132 Mitgliedsbetriebe auf die gesetzliche Vorschrift hingewiesen. Ebenso habe sie den Wunsch geäußert, dass die Landwirte einen Wasserwagen für eventuelle Löscharbeiten mitführen. Gesetzlich verankert sei das nicht. Die Erfahrungen aus dem Hitzesommer 2018 würden sie zuversichtlich stimmen, dass sich die Landwirte hinsichtlich der Brandgefahrenabwehr erneut untereinander helfen und sie mit den Feuerwehren zusammenarbeiten. „Sie haben die Technik, können mit umfunktionierten Güllefahrzeugen das Löschwasser heranholen“, sagt die Geschäftsführerin.

Diese Unterstützung der Bauern aus der Umgebung, die am Sonntag unaufgefordert mit Traktoren Löschwasser nach Bittkau herankarrten, habe ihn und viele andere beeindruckt, sagt Gemeindewehrleiter Nils Wilhelm. „Das war schon eine enorme Hilfe, ebenso die Unterstützung von Bundeswehrsoldaten mit einem Tankfahrzeug, um Wasser aus der Elbe zu holen.“

Wehrleiter Wilhelm kritisierte gegenüber der Volksstimme nochmals die mangelnde Löschwasserversorgung im Flussbereich, da 90 Prozent der Entnahmestellen wie Tiefbrunnen weggefallen sind. Im Tangerhütter Stadtrat vermisse er die Unterstützung für den Bau neuer Brunnen. „Sicher kosten sie Geld, einer in der Regel 30 000 Euro.“

Sich ausschließlich auf das „Wasser zu stürzen“ und „zig neue Brunnen zu bauen“, das sei für Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) zu einseitig. „Das Image der Feuerwehr insgesamt muss gestärkt werden, wir brauchen mehr Mitglieder.“ Ohne der noch ausstehenden Analyse des Großeinsatzes in Bittkau vorgreifen zu wollen, betont Brohm: „Wir haben sehr gut funktionierende Strukturen im Landkreis. Allein hätten wir den Großbrand nicht bewältigen können.“