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Blumenstrauß Nichts tun kann sie einfach nicht

Helga Zielke aus Tangerhütte bekommt den Blumenstrauß des Monats Dezember.

Von Egmar Gebert 15.12.2017, 01:00

Tangerhütte l Es ist früher Abend, die Dämmerung legt sich auf die Kleinstadt. Helga Zielke liebt diese Stunde des schwindenden Lichts. Dann sitzt sie in ihrem Sessel in der Wohnstube mit einem Blick, den das Wohnen in der vierten Etage über den von Laternen eingefassten Platz vorm Haus, die parallel dazu verlaufende Hauptstraße, auf Schaufenster vis-à-vis möglich macht. „Eine herrliche Aussicht“, sagt die 80-Jährige fast schon schwärmerisch. Etwas Besonderes haben diese stillen, genießerischen Momente aber auch, weil sie für Helga Zielke so selten sind.

Zeit ist etwas, das sie in der Regel nicht ungenutzt verstreichen lässt. „Ich muss eine Aufgabe haben, das war schon immer so“, sagt sie mit fast schon entschuldigendem Lächeln dafür, dass sie auch für diese Dämmerstunden-Plauderei mit der Volksstimme erst einmal ihren Terminkalender „fragen“ musste, ob in ihm noch ein Plätzchen frei sein würde. Es war, gottlob!

Tags darauf hätte die Sache schon wieder anders ausgesehen. Jahrestreffen der Landsenioren des Altkreises Stendal, dessen Vorsitzende Helga Zielke ist. Und in den Tagen davor die Vorbereitung auf diesen Höhepunkt, auf den Rechenschaftsbericht, den sie zu halten hat, auf die Vorstandswahl, bei der sie wieder für den Vorsitz kandidiert. „Aber nur für ein Jahr, indem ich meinen Nachfolger aufbauen möchte. Danach gebe ich den Vorsitz wirklich ab. Ich brauche langsam ein bisschen mehr Zeit für mich.“ Und wieder ist da dieses gewinnende Lächeln. Keine Spur des Bedauerns, der ungezählten Ehrenamtsstunden wegen. Im Gegenteil. Stünde sie vor der Wahl – keinen Augenblick ihres Lebens hätte Helga Zielke anders gelebt.

Ihre Liaison mit den Landsenioren ist da nur eine von mehreren, wenn auch eine, die bereits 18 Jahre andauert. Damals, 1999 gehörte die Tangerhütterin zu den Gründungsmitgliedern der Landsenioren.Sich ehrenamtlich zu engagieren, für andere sich einzusetzen, auf diesem Feld hatte sich Helga Zielke schon einige Jahre zuvor die ersten Sporen verdient. „Schuld daran“ sei ihre Tochter gewesen, erzählt die studierte Agraringenieur- ökonomin. „Als ich aus dem Beruf ausgeschieden bin, das war 1993, hat meine Tochter gesagt: Du bleibst nicht zu Hause, das hälst Du gar nicht aus.“ Wie Recht sie hatte, war schon wenige Monate später bewiesen.

Anfang 1994 gründete sich der Förderverein für behinderte und mehrfach behinderte Kinder in Tangerhütte. Eine Sonderschule und ein dazu gehörender Kindergarten in der Stadt waren dafür ausschlaggebend. Helga Zielke war im Vorstand des Vereins, wenige Jahre später dessen Vorsitzende. Vieles gibt es aus dieser Zeit, alles in allem ebenfalls 14 Jahre, an das sie sich gern erinnert. „Der Kindergarten brauchte einen Spielplatz. Aber woher das Geld dafür nehmen?“ Die Toto-Lotto-Gesellschaft half, Eigenmittel von den Vereinsmitgliedern und manche Mark, zu deren Zahlung an gemeinnützige Vereine Straftäter verurteilt waren. Und auch das hat indirekt mit dem Engagement von Helga Zielke zu tun. Die war nämlich zeitgleich auch ehrenamtliche Schöffin.

„Das war auch eine sehr schöne Arbeit“, sagt sie und erinnert sich an Richter Gerhard Henss. „Von ihm kam die Anregung, solches Geld für gemeinnützige Zwecke zu geben.“Als sich dann 1999 ehemals in der Landwirtschaft Tätige zusammenfanden, um einen Verein zu gründen, der Gleichgesinnten niveauvolle Abwechslung in den Lebensabend bringt, war Helga Zielke wieder mit dabei. Sie wurde Gründungsmitglied der Landseniorenvereinigung Stendal. Ab 2001 arbeitet sie im Vorstand mit und mittlerweile sind es auch schon wieder neun Jahre, in denen Helga Zielke an der Spitze der Stendaler Landseniorenvereinigung mit rund 170 Mitgliedern steht. Vorsitzende, Ideengeberin und Organisatorin einer Vielzahl von Veranstaltungen. All das ist die rührige Tangerhütterin aus vollem Herzen.

Das möchte ich auch noch möglichst lange mit den Landsenioren machen“, sagt sie und ist heute noch stolz darauf, eine Fahrt in die Berliner Staatsoper zu einem der wenigen und um so begehrteren Konzerte der Wiener Philharmoniker für die Landsenioren organisiert zu haben. Dazu manche Reise der Landsenioren in viele Ecken Deutschlands. „Reiseverkehrskauffrau, das wäre auch so ein Beruf für mich gewesen“, ist Helga Zielke sicher. Sie habe noch viele Ideen und für die kommenden Jahre bereits eine ganze Mappe mit möglichen Reisezielen gesammelt. Fest gebucht ist für den Januar 2018 zum Beispiel schon der Besuch des Leipziger Gewandhauses.

Dass so viel Engagement manchmal – obwohl es niemals danach trachtet – auch gewürdigt wird, ist mehr als gerechtfertigt. So war Helga Zielke auch Gast der Bundeskanzlerin, als die 2011 Ehrenamtliche aus sozialen Bereichen zu einer Dankeschönveranstaltung ins Kanzleramt einlud. Einen Schnappschuss, der sie und Angela Merkel im Gespräch erwischte, hält Helga Zielke noch heute in Ehren.

Mag sein, dass der Blumenstrauß des Monats Dezember 2017, den die Volksstimme an Helga Zielke vergibt, da nicht mithalten kann. Von Herzen gefreut hat sie Helga Zielke darüber auf jeden Fall. Einen Platz auf der Anrichte unter einem Kunstdruck des Schokoladenmädchen hat der Strauß bekommen. Das berühmte Gemälde von Jean-Étienne Liotard liebt die kunstsinnige Seniorin, nimmt sich dann und wann einen Moment, es ausgiebig zu betrachten. Aber wie das so ist mit den stillen Momenten der Helga Zielke, die „nebenbei“ auch noch in der Birkholzer Sportgruppe kegelt und im Chor nova cantica von Tilman Frieser singt – sie sind selten. Die Tangerhütterin arbeitet dran. „Ich werde im nächsten Jahr etwas kürzer treten. Ich muss es wohl auch. Dann werde ich mir zum ersten Mal eine Kur gönnen, 14 Tage in Marienbad.“