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Corona-Krise Ein Bäckermeister wagt das Risiko

Rund 500.000 Euro investiert Heiko Kerkow aus Stendal, um die Familienbäckerei moderner auszurichten. Trotz Corona-Krise.

Von Regina Urbat 26.08.2020, 20:45

Stendal l Die Neugier ist groß – auf das, was sich in dem großen Eckladen in Stendals City tut. Zahlreiche Passanten luchsen durch die mit Plastikfolien verhangenen Schaufenster in unmittelbarer Nachbarschaft der Marienkirche. Es ist eher ungewöhnlich, dass in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, ausgelöst durch die Corona- Pandemie, Geschäftsleute überhaupt investieren.

Dass das so ist, will Jungunternehmer Heiko Kerkow nicht in Abrede stellen. Auch nicht, dass es „schon ein Risiko“ sei, gerade jetzt in der Corona-Krise ein solch kostenintensives Projekt anzugehen. „Klar braucht man Mut dazu“, sagt der 42-jährige Bäckermeister und fügt hinzu: „In dieser Hinsicht bleibe ich unserer Familientradition treu.“ Soll heißen: „Auch die dritte Generation baut um“, erklärt Alexandra Schleef.

Sie ist seit 2013 bei der Bäckerei-Konditorei Kerkow GmbH tätig und seit der Firmenübergabe von Wilhelm Heinz Kerkow an seinen Sohn Heiko im Vorjahr nun die Betriebsleiterin. Und: Die 47-Jährige steht voll hinter ihrem Chef, was die moderne Neuausrichtung der seit 1947 in Stendal ansässigen Familienbäckerei betrifft.

Bis zu 500.000 Euro will Heiko Kerkow investieren, in ein „neues Outfit und Aushängeschild“. Letzteres geschieht mit dem Ladenumbau in dem eigenen Wohn- und Geschäftshaus an der Ecke Breite Straße/ Marienkirchstraße. Als zum Jahreswechsel klar wurde, dass dort die langjährige gemeinsame Nutzung mit dem Altmark-Fleischer als Mieter beendet wird, „haben wir die Chance genutzt, uns intensiv mit einer neuen Ausrichtung zu befassen“, sagt Heiko Kerkow. Es seien Ideen gesammelt worden. Mit einbezogen wurden die Mitarbeiter in der Backstube und in den 16 Verkaufsfilialen. Acht befinden sich in Stendal, die anderen in Tangermünde, Tangerhütte, Osterburg, Bismark, Jerichow und Kalbe.

„Wir waren uns einig, moderner, der Zeit angepasster zu werden“, sagt der Firmenchef, während Alexandra Schleef schmunzelnd ein Gespräch mit ihrer Tochter zum Besten gibt. Damals im Teenager-Alter, habe sie zu ihr gesagt: „Mutti, euer Laden ist für uns zu trutschig.“ Heiko Kerkow lacht und entgegnet: „Das wird sich ja nun grundlegend ändern.“

Einkaufen soll ein Erlebnis sein, für Jung und Alt. So wird aus dem Bäckereishop mit Imbiss eine Coffee-Lounge, in der verschiedene Getränkespezialitäten, Eis und auch Salate angeboten werden. Letzteres, „weil die jungen Leute darauf stehen“, sagt Kerkow. Andererseits sollen sich Stammkunden nicht ausgegrenzt fühlen. Das Altbewährte werde an 344 Tagen im Jahr beibehalten.

Mehr Einzelheiten wollte das Duo im Gespräch mit der Volksstimme nicht verraten. „Wir wollen die Spannung bis zur Eröffnung am 30. September halten“, sagt der Firmenchef. Er wie auch alle Mitarbeiter seien ebenso gespannt, wie die Neuausrichtung angenommen wird. Dazu gehören übrigens auch Kleidung, Geschirr, Schriftzüge und Logo. Die Bäckerei Kerkow tritt nicht mehr in Weinrot-Hellgelb auf, „wir haben uns für Schwarz-Weiß entschieden“. Die komplette Umstellung in allen Filialen soll zum Jahresende erfolgt sein.

Wenn Firmenchef und Betriebsleiterin immer wieder von „wir“ sprechen, beziehen sie bewusst alle 96 Mitarbeiter, einschließlich der zehn Azubis, mit ein. Gerade die schwierigste Phase in der Corona-Krise, als das normale Leben völlig zum Stillstand gekommen war, habe zusammengeschweißt, sagt Alexandra Schleef und spricht von einer „tollen Solidarität“. Dienstpläne seien je nach Verfügbarkeit der Mitarbeiter aufgestellt worden; wer in Kurzarbeit musste, bekam vom Betrieb eine Aufstockung.

Die Wochen der Ungewissheit „waren hart“. Erst „im Juni war Licht am Tunnel“, erinnert sich Heiko Kerkow. Fortan wurde das Konzept weiter umgesetzt. Dazu gehörte, das Personal aufzustocken. Vier Stellen wurden geschaffen. „Wir konnten alle drei Azubis übernehmen, die auch bleiben wollen“, ergänzt Alexandra Schleef.