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Corona-KrisePatient Null gesund entlassen

Ein 33-Jähriger ist der erste nachgewiesene Corona-Fall im Landkreis Stendal gewesen. Nun ist Patient Null als gesund entlassen worden.

Von Regina Urbat 07.04.2020, 01:01

Stendal l Er könnte vor Glück die ganze Welt umarmen. „Doch Vorsicht, bloß nicht in der Corona-Krise“, sagt Peter K. (Name ist der Redaktion bekannt). Der 33-Jährige muss es wissen, er ist der erste nachweislich auf eine Coronavirus-Infektion getestete Fall im Landkreis Stendal. „Nun bin ich als gesund entlassen und fühle mich sowas von frei“, sagt er jubelnd, auch wenn die Qurantänezeit nicht „immer eitel Sonnenschein“ war.

Dazu gehört, wie der erste Corona-Fall im Kreis, der sich selbst „Patient Null“ nennt, zu der Diagnose am 15. März überhaupt gekommen ist. Peter K. musste lügen, um auf das Coronavirus im Fieberzentrum in Magdeburg getestet zu werden, und ist, wie er rückblickend sagt, „froh darüber“. Der selbstständige Unternehmer hätte zahlreiche Mitmenschen anstecken können, wenn er nicht so hartnäckig auf einen Abstrich gedrungen hätte. Denn die typischen Symptome wie Husten, Fieber und Atemwegs- probleme hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht.

Peter K. muss sich im Kurzurlaub in Österreich angesteckt haben. Bei der Abreise mit der sechsköpfigen Skigruppe „war es überhaupt kein Thema, dass Sölden ein Corona-Risikogebiet ist“, erinnert er sich. Anders bei seiner Heimreise, vier Tage später. Im Radio hörte er, Tirol war zum Krisenherd ernannt, vier nachweislich Infizierte aus Cuxhaven waren wie er im Skigebiet in Sölden on Tour.

Obwohl es dann noch drei Tage dauern sollte, bis der hellhörig gewordene Altmärker endlich getestet wurde, hatte er bereits Vorkehrungen getroffen. „Als dreifacher Familienvater und die Eltern in unmittelbarer Nähe wohnend, wollte ich nichts riskieren“, sagt Peter K. Umgehend verordnete er allen ein Kontaktverbot zur Außenwelt. Am besagten 15. März wurde daraus eine vom Gesundheitsamt in Stendal angeordnete 14-tägige Quarantäne. Auch für alle Familienangehörigen und die Skifreunde. Sie alle standen fortan unter Beobachtung.

Peter K. selbst fühlte sich nicht krank, er hatte zweimal leicht erhöhte Temperatur und etwas Husten. Anders seine Frau, die er ansteckte, die Symptome aufwies und folglich positiv getestet wurde. Sie bekam eine Quarantäne bis zum 2. April auferlegt. Vom Amt wurde die Familie bis zu vier mal täglich angerufen, musste Auskunft über den Gesundheitszustand geben. „Klar, wollten sie auch kontrollieren, ob wir ja das Haus nicht verlassen“, sagt der 33-Jährige und verhehlt nicht, dass er so manches Mal genervt war. Vor allem, wenn plötzlich Daten, die bei Kon- trollanrufen abgefragt wurden, nicht passten.

Insgesamt, so sein Fazit, sei er von der Mitarbeiterin im Amt, die ihn hauptsächlich betreute, gut umsorgt worden. Zum Beispiel als es darum ging, was getan werden müsste, wenn es den Kindern gesundheitlich schlechter geht. Sie empfahl, sich aus der Apotheke Fiebermittel zu besorgen. Gesagt getan - „und eine Schlappe erlebt“.

Als Peter K. bei der telefonischen Bestellung in einer Stendaler Apotheke darum bat, die Medikamente zu liefern und an den Zaun zu hängen, „bekam ich bei meinem Hinweis, wir haben Corona, prompt zur Antwort: dann kommen wir nicht“.

Mehr Glück hatte er dann bei einer anderen Apotheke. „Dort zögerte niemand, uns die Fiebermittel für die Kinder zu bringen und die Tüte an den Zaun zu hängen.“ Alle drei Kinder blieben gesund und munter - und das Prozedere mit dem Zaun wurde dankend von den Bekannten und Verwandten angenommen, die für die Quarantäne-Familie die Einkäufe erledigte.

Das sprichwörtliche Dach ist den Corona-Infizierten nie auf den Kopf gefallen. „Wir haben viel Zeit für uns und die Kinder gehabt, konnten bei schönem Wetter den Garten nutzen“, sagt das Familienoberhaupt. Mit Nachbarn sei über den Gartenzaun hinweg mal ein Schwätzchen gemacht worden. Vorwürfe - wie „wie konntet ihr nur in ein Corona-Risikogebiet reisen“ - seien so entkräftet worden. Zumal für Peter K. fest steht: „Mit dem Wissen von heute, wäre ich nie losgefahren.“

Und was hat nach der Entlassung am meisten beeindruckt? „Zu sehen, dass Corona hier vor Ort angekommen ist“, sagt der Altmärker. Er erinnere sich noch an die Bilder aus China, als es losging. „Damals hätte ich nie gedacht, dass das Virus uns erreicht“. Er habe sich getäuscht. Und er sei erstaunt, wie konsequent die Infektionsschutzmaßnahmen in Deutschland umgesetzt werden. „Ich sage nur Abstand halten. Für mich als Weggesperrter beim ersten Einkauf in Freiheit eine völlig neue Erfahrung. Aber eine gute.“

Auf Abstand will der als gesund Entlassene gern weiter gehen. „Wenn das unser Beitrag für die Überwindung der Corona-Krise ist, bin ich dabei.“ Ebenso, fügt Peter K. hinzu, wenn das Robert-Koch-Institut oder die Charité auf ihn zukommen würden, um ihn als genesenen „Patient Null“ für Antikörper-Tests zu gewinnen.