1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Corona-Quarantäne: Jugendliche klagt am Landgericht Stendal auf Schmerzensgeld

Prozess Corona-Quarantäne: Jugendliche klagt am Landgericht Stendal auf Schmerzensgeld

Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Jerichower Land steht im Prozess am Landgericht Stendal in der Beweispflicht.

Von Thomas Pfundtner 10.03.2022, 09:39
Eine Minderjährige aus dem Landkreis Jerichower Land klagt auf Schmerzensgeld, weil sie ungerechtfertigt Corona-Quarantäne geschickt wurde.
Eine Minderjährige aus dem Landkreis Jerichower Land klagt auf Schmerzensgeld, weil sie ungerechtfertigt Corona-Quarantäne geschickt wurde. Symbolfoto: dpa

Stendal - Mit einem Corona-Fall beschäftigt sich am Freitag, 11. März, die erste Zivilkammer am Landgericht Stendal. Die Eltern der minderjährigen Nanina S. (Name geändert) haben im Namen ihrer Tochter den Landkreis Jerichower Land auf ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2500 Euro verklagt. Das Mädchen wirft dem Gesundheitsamt Burg vor, sie ohne ausreichenden Anlass in Corona-Quarantäne geschickt zu haben.

Am 18. Oktober 2020 erhielt Nanina S. einen Anruf vom Gesundheitsamt mit der Aufforderung, sich unmittelbar in Quarantäne zu begeben. Sie soll Kontakt mit einer positiv getesteten Person gehabt haben – während eines Handballtrainings in einer Sporthalle. Am 21. Oktober ging bei Familie S. der schriftliche Bescheid über die Quarantäneverfügung bis zum 27. Oktober ein.

Nanina S. bestreitet mit der betroffenen Person Kontakt gehabt zu haben. Sie sei zwar in der Halle gewesen, aber sie würde die positiv getestete Person nicht kennen. Lediglich ihr Freund habe mit ihr kurze Zeit Kontakt gehabt. Dennoch hätte sie zehn Tage in Quarantäne gemusst.

Anwalt aus Köln vertritt Jugendliche

Jetzt der Prozess in Stendal: Hier wird Nanina S. von einer Kölner Anwaltskanzlei vertreten, die sich unter anderem auf Verbraucherrecht spezialisiert hat: „Das Gesundheitsamt hätte für unsere Mandantin nur eine Quarantäne verfügen dürfen, wenn es eine konkrete Tatsachengrundlage für einen Ansteckungsverdacht gegeben hätte. Daran fehlt es“, sagt Rechtsanwalt Tobias Ulbrich. Er führt weiter aus: „Das Gesundheitsamt muss jetzt beweisen, dass unsere Mandantin tatsächlich einen längeren Kontakt mit der positiv getesteten Person hatte. Auch muss nachgewiesen werden, dass der vorgegebene Mindestabstand zwischen unserer Mandantin und der vermeintlichen Kontaktperson nicht eingehalten wurde.“

Tatsächlich sei es auch schwer nachvollziehbar, dass ein gesundes Kind zehn Tage in Quarantäne geschickt werde, ohne in irgendeiner Form darüber nachzudenken, welche psychischen Folgeschäden diese Entscheidung haben könnte, gibt der Anwalt der Klägerin zu bedenken. Tobias Ulbrich: „Es gibt zahlreiche Studien darüber, wie sich gesunde Kinder, die plötzlich in Quarantäne geschickt werden, verändern. Hier hat auch die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 schon damals klare Grenzen gezogen, die offensichtlich ignoriert wurden.“

In der UN-Charta heißt es unter Paragraf 3: Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Es wird zudem unter anderem darauf hingewiesen, dass die Vertragsstaaten sicherstellen, dass die für die Fürsorge für das Kind oder dessen Schutz verantwortlichen Institutionen, Dienste und Einrichtungen den von den zuständigen Behörden festgelegten Normen entsprechen. Besonders im Bereich der Sicherheit und der Gesundheit.

Und, was sagt die Landkreisverwaltung Jerichower Land zur Klage und zu den Vorgängen? Die Pressesprecherin Claudia Hopf-Koßmann antwortet auf Nachfrage der Volksstimme: „Der Fall ist uns bekannt. Da es sich aber um ein laufendes Verfahren handelt, werden wir vorerst nichts dazu sagen.“