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Coronavirus Verstöße werden zur Anzeige gebracht

Der Stendaler Landrat Patrick Puhlmann (SPD) spricht über die „engmaschige Begleitung“ von Quarantäne-Betroffenen.

Von Donald Lyko 01.04.2020, 01:01

Stendal l Auch wenn sich die meisten derjenigen, die in Quarantäne geschickt worden sind, an die Anordnung halten, gibt es einige wenige Ausnahmen – und die verlassen dann munter Wohnung und Haus. „Für sie haben wir eine ganz klare Botschaft: Wer die Quarantäne missachtet, begeht eine Straftat. Wir bringen diese Verstöße zur Anzeige“, sagte Landrat Patrick Puhlmann (SPD) gestern Nachmittag während einer Pressekonferenz im Landrats­amt.

Wie ein Verstoß gegen die Quarantäne-Anordnung geahndet wird, werde im Einzelfall und nach Schwere eingestuft, erklärte Anja Fischer vom Kreis-Ordnungsamt. Das Infektionsschutzgesetz bietet die Möglichkeiten von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren. Wenn Infizierte bewusst die Quarantäne verlassen und damit andere wissentlich der Gefahr aussetzen, angesteckt zu werden, kann sogar der Straftatbestand der Körperverletzung angenommen werden – und dafür ist eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren möglich. Der Landkreis bereite gerade die ersten Anzeigen vor, sagte der Landrat und kündigte an, dass die „engmaschige Begleitung“ der Personen in Quarantäne fortgesetzt werde.

Jeder, der auf Anordnung des Gesundheitsamtes in Quarantäne ist, wird einmal täglich angerufen. „Dabei fragen wir unter anderem ab, ob Krankheitssymptome oder eine Verschlechterung des Zustandes aufgetreten sind“, erklärte Dr. Iris Schubert, Leiterin des Kreis-Gesundheitsamtes. Zusätzlich seien Mitarbeiter der kommunalen Ordnungsämter unterstützend unterwegs zur Kontrolle. Besuch gibt es zudem vom mobilen Testteam des Gesundheitsamtes (wir berichten gestern). Die Aufgabe des Gesundheitsamtes sei aber nicht nur, Personen zu testen, Verdachts- und positiven Meldungen nachzugehen und Infizierte statistisch zu erfassen, „unser Schwerpunkt liegt bei der Ermittlung von Kontaktpersonen, die unter Umständen den Virus in sich tragen, ohne es zu wissen“, so die Amtsleiterin.

Für die Mitarbeiter bedeutet das dieser Tage eine ernormen Arbeitsaufwand. „Zwölf Stunden und mehr, teilweise laufen die Ermittlungen auch nachts“, beschreibt Dr. Iris Schubert das Tagespensum ihrer Kollegen. Die Ermittlung von Kontaktpersonen wird von den acht Gesundheitsaufsehern in ihrem Amt übernommen. Die gut 20 Mitarbeiter aus dem jugendärztlichen und jugendzahnärztlichen Bereich seien von ihren Pflichtaufgaben entbunden worden, um ebenfalls die aktuellen Aufgaben zu erledigen. Aus anderen Bereichen der Kreisveraltung wurden Mitarbeiter zur Verstärkung ins Gesundheitsamt abgeordnet, um administrative Arbeiten wie Anrufe und Statistiken zu übernehmen. Sie sind oft auch am Wochenende im Einsatz, damit die Stammbelegschaft verschnaufen kann. „Denn Fachkräfte kann ich mir nicht backen, damit muss ich auskommen“, so die Amtsleiterin. Ziel der Personalverstärkung sei es, die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes „soweit zu entlasten, wie es möglich ist“, sagte Patrick Puhlmann.

Der Aufwand, die Kontaktpersonen eines Infizierten zu erfassen, sei enorm. Im Gespräch mit dem Betroffenen werden die Personen aufgelistet, die in Frage kommen. Die erste wichtige Frage: Ist jede genannte Person auch wirklich eine Kontaktperson? „Bloß weil man kurz gemeinsam in einem Raum war, muss das noch nicht so sein“, erklärt die Ärztin. Und so können aus 50 benannten Personen schnell fünf wirkliche Kontaktpersonen werden. Iris Schubert: „Das macht es aufwendig, aber gerade auch wichtig.“ Sollten unter den Kontaktpersonen welche aus anderen Landkreisen oder Bundesländern sein, nimmt das Stendaler Gesundheitsamt Kontakt mit den Kollegen dort auf, damit das Gesundheitsamt vor Ort aktiv werden kann.

Wenn Fälle in Pflegeeinrichtungen auftreten, nehmen einem diese schon einen Teil der Recherche ab, weil konkret Mitarbeiter oder Angehörige benannt werden können, die Kontakt mit dem Infizierten hatten. Im Pflegebereich ist eine eingeschränkte Quarantäne möglich, bei der Mitarbeiter nur den Weg zur Arbeit und zurück absolvieren dürfen, ansonsten daheim bleiben müssen.

Bei Verdacht wird die Quarantäne für 14 Tage ausgesprochen, der laut Robert-Koch-Institut maximalen Corona-Inkubationszeit. „Sie kann aber auch verlängert werden“, macht Iris Schubert klar. Wer nach den zwei Wochen symptomfrei ist, könne die Quarantäne verlassen. Treten während einer Quarantäne Symptome auf, „dann beginnen die 14 Tage ab dieser Zeit von vorn“. Häusliche Quarantäne bedeutet den ununterbrochenen Aufenthalt zu Hause. Für Einkäufe oder sonstige Erledigungen sollten Familie, Freunde oder Nachbarn mobilisiert werden.

Mit Stand von gestern hat es im Landkreis Stendal 52 positiv Getestete gegeben, von denen 45 in Quarantäne sind. Die anderen gelten als wieder gesund. Am Montag befanden sich rund 370 Personen in Quarantäne.