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Coworking Arbeiten mit Sofa und Kaffeebar

In Frankfurt/Oder werden neue Formen der Zusammenarbeit in einem Coworking-Büro getestet. Eignet sich das Konzept auch für Stendal?

Von Dagmar Hotze 06.02.2018, 12:49

Frankfurt/Stendal l In Großstädten haben sich Coworking-Büros (also gemeinschaftlich genutzte Arbeitsräume) längst etabliert. Vor allem Freiberufler, Kreative und Gründer schätzen die inspirierende Atmosphäre unter Gleichgesinnten, in der das Arbeiten mehr Spaß macht, statt alleine im Kämmerlein vor sich hin zu werkeln. Spitzenreiter in Deutschland ist Berlin mit über 80 Angeboten. Auch in Magdeburg stehen mittlerweile sechs zur Auswahl, darunter das im Oktober 2017 von der Hochschule Magdeburg-Stendal im Forschungs- und Entwicklungszentrum (FEZ) auf dem Campus in der Breitscheidstraße 51 eröffnete Gemeinschaftsbüro, das 15 Arbeitsplätze bereithält.

In der 60.500-Einwohner-Stadt Frankfurt/Oder wollen die Sparda-Bank Berlin und das Unternehmen Sankt Oberholz herausfinden, ob das Konzept auch in einem Mittelzentrum funktioniert, und bauen dazu das seit vier Jahren leerstehende ehemalige Kinderkaufhaus in der beliebten Einkaufsmeile Magistrale in ein Coworking-Büro um.

Auf 750 Quadratmetern entsteht über zwei Ebenen verteilt eine offen gestaltete Bürolandschaft mit Platz für unterschiedliche Arbeitssituationen. Von Einzelarbeitsplätzen über Areale für Teamarbeit bis zu Besprechungsräumen soll das „Bloko“ alles bieten, was digitale Einzelkämpfer zum optimalen Arbeiten benötigen. Internet, Telefon, Drucker und ein integriertes Café gehören ebenfalls dazu. Das erhobene Entgelt variiert je nach Nutzung und reicht vom Stundentarif (4 Euro) über ein Tagesticket (15 Euro) bis zum monatlichen Mitgliedsbeitrag (ab 99 Euro). Der Mehrwert liegt im branchenübergreifenden Austausch der Coworker miteinander. Eigentümer und Vermieter des Gebäudes ist die in Berlin beheimatete Schwarzer Unternehmensgruppe, die neben der Immobilienentwicklung und Hausverwaltung Fußballprofis in Finanzfragen berät. Im März 2018 wird mit den Umbauarbeiten begonnen. Die Eröffnung ist zum Stadtfest „Bunter Hering“ im Juli 2018 geplant.

Einen Mieter hat das Coworking-Büro bereits: Die Sparda-Bank Berlin, die mit der Projektbeteiligung testet, wie die Filiale von morgen aussehen könnte. Die Bankangestellten etwa werden sich die Fläche – wie in einem Gemeinschaftsbüro üblich – mit anderen Coworkern teilen.

„Das Projekt dient als Experimentierfeld für neue Ideen und die Zukunftsausrichtung der Bank“ erläutert Frank Kohler, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Berlin, das Vorhaben anlässlich der Präsentation am 26. Januar 2018. Das Coworking-Büro sei ein Prototyp, so Kohler. Das operative Geschäft des Gebäudes übernimmt Ansgar Oberholz, Gründer und Geschäftsführer des legendären „St. Oberholz“ am Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte. Der Gastronom gilt als Pionier des Coworking hierzulande, der das flexible Arbeitskonzept populär gemacht hat.

„Viele pendeln zur Arbeit, obwohl die meisten sie vermutlich auch ortsunabhängig erledigen könnten.“

Für Tobias Kremkau, Coworking-Manager des St. Oberholz, ist die Ausbreitung in die Peripherie kein Widerspruch. Vielmehr sieht er in Coworking eine Möglichkeit, Wohnen und Arbeiten besser miteinander zu verbinden: „Viele Menschen leben in Deutschland im ländlichen Raum. Damit meine ich Mittelstädte wie Cottbus, Stendal oder Frankfurt/Oder. Was diese Orte auszeichnet, ist ein direkter Anschluss an die Metropole Berlin. Von Stendal ist man außerdem schnell in Hamburg und Hannover. Täglich pendeln viele dorthin zur Arbeit, obwohl die meisten sie vermutlich auch ortsunabhängig erledigen könnten. Und in einem Coworking-Space lässt sich die notwendige digitale Professionalität mit einer inspirierenden Café-Atmophäre kombinieren.“

Noch gibt es in Stendal kein Coworking-Büro. Geht es nach Thomas Barniske, könnte sich das allerdings ändern. Schon seit Längerem überlegt der Geschäftsführer des Informations- und Gründerzentrums (IGZ) BIC Altmark, wie sich ein Konzept für gemeinschaftlich genutzte Arbeitsräume umsetzen ließe. Schließlich sei Stendal ein lebendiger Hochschulstandort mit rund 2100 Studierenden und verfüge über eine rege Gründerkultur. Warum nicht mehr daraus machen? Um die Chancen für seine Idee auszuloten, bietet er seit einiger Zeit im Bürokomplex des IGZ in der Arneburger Straße Mietflächen zwischen 21 und 145 Quadratmetern zu günstigen Konditionen an. Internet bis zu 100 MB ist vorhanden. Parkplätze gibt es auch. 30 Firmen nutzen derzeit die Räume.

Dass der Standort nur bedingt über die Annehmlichkeiten verfügt, die den Reiz eines „richtigen“ Coworking-Büros ausmachen, weiß er. „Mir geht es bei der Sache in erster Linie darum, Möglichkeiten für den Austausch zu schaffen, aus dem Netzwerke entstehen, die wiederum dazu beitragen, neue Ideen anzustoßen“, begründet er sein Engagement.

Auf das Projekt in Frankfurt/Oder angesprochen und darauf, ob sich eventuell ein ähnliches Vorhaben in prominenter Innenstadtlage in Stendal realisieren ließe, reagiert Barniske verhalten optimistisch. Sicherlich sei das wünschenswert. Doch dazu müsse zunächst die Immobilienfrage geklärt werden. „Einen Eigentümer davon zu überzeugen, das ist die Herausforderung.“ Außerdem sei wichtig, einen wirtschaftlich dauerhaft tragfähigen Betrieb sicherzustellen. „Das muss gut überlegt sein“, gibt er zu bedenken.

Vielleicht kommen Barniskes Überlegungen zum richtigen Zeitpunkt. Ab 2019 soll die Straße Schadewachten saniert werden, finanziert durch das Programm „Aktive Stadt und Ortsteilzentren“, aus dem die Stadt 800 000 Euro erhält. Außerdem sind Sicherungsmaßnahmen an sanierungsbedürftigen Gebäuden in der Bahnhofsvorstadt geplant. Dies könnten Anlässe sein, um über alternative Nutzungskonzepte für leerstehende Immobilien in diesen Lagen nachzudenken.

Coworking-Experte Kremkau jedenfalls, der Stendal persönlich kennt und Altmark-Fan ist, zeigt sich gesprächsbereit.