Serie "Gibt\'s das noch?" / Heute: Die Kittelschürze erlebt eine zarte Renaissance Die neue Reizwäsche von morgen?
Schallplatte, Badekappe, Daumenkino und Bett- socken - gibt\'s das alles noch? Die Volksstimme spürt in einer Serie selten gewordenen Dingen nach. Heute: Die Kittelschürze.
Stendal l Sophia Loren sah im Film in ihr bezaubernd aus und sogar Penelope Cruz war 2006 in " Volver" in ihr zu bewundern. Als Filmfigur "Carmen Maura" trug sie diese ausnahmslos. Sie besaß sogar eine ansehnliche Kollektion Kittelschürzen und offenbar weiter keine anderen Kleidungsstücke.
Dennoch wirkt es so, als lebe die Kittelschürze, deren Ära lange vorbei scheint, nur noch im Film weiter. Die gute alte Kittelschürze - eine Knopfleiste vorn, die Arme frei, häufig mit Blumenmuster, bequem und praktisch.
Ein neuer Name musste her - und "Dederon" war erfunden
Sie besteht hauptsächlich aus einer synthetischen Polyamid-Faser. 1937 wurde dieses Material zum ersten Mal hergestellt. Bekannt wurde das Produkt zunächst unter dem Namen Perlon, aus dem die berühmten Nylonstrümpfe in der Nachkriegszeit hergestellt wurden. Aus Markenschutzgründen musste in der DDR ein neuer Name erfunden werden. So kreierte man also den Begriff Dederon. Dederon ist wie
Perlon ein Kunstwort, das sich aus DDR und der Silbe on zusammensetzt. Die Dederonfasern wurden im VEB Chemiefaserkombinat Wilhelm Pieck in Rudolstadt gefertigt.
Heutzutage sucht man nach der Dederonkittelschürze vergeblich in den Katalogen der großen Versandhäuser. Vereinzelt findet man sie auf Wochenmärkten, wo sie von älteren Damen geschätzt und noch gern gekauft wird. Dabei besaß damals jede Hausfrau mindestens eine bequem einhüllende Schürze, mit der es durchaus erlaubt war, rasch einmal das Haus für einen Einkauf zu verlassen. Zudem versprach sie Hygiene und schützte die Kleidung vor Verschmutzungen. Sie war immer sauber, weil waschbar. In der Nachkriegszeit war sie ein Dauerbrenner, besonders im italienischen Film - als erotisches Requisit. Ein Hauch von Nichts.
Hauptsächlich ältere Damen fragen nach
Torsten Klipp, Geschäftsführer des Ostprodukte-Versands in Tangermünde, verwundert das nicht. Seit der Eröffnung seines Geschäfts vor zehn Jahren ist der Dederonkittel fest im Sortiment zu finden. "Hauptsächlich wird der Artikel von älteren Damen gekauft", sagt er, "doch es gibt mittlerweile einen zweiten Absatzmarkt auf der erotischen Schiene. Es gibt viele Liebhaber, die ausschließlich auf Dederon stehen. Wir wechseln alle paar Monate das Design der Schürze."
Alle Artikel, also auch die Kittelschürze, seien echte Ostprodukte und würden im Osten produziert, bekräftigt Klipp. Er handelt getreu dem Motto: "Was früher als gut empfunden wurde, soll auch weiterhin so umgesetzt werden." Für knapp 20 Euro kann man die klassische Dederonschürze von Größe 36 bis 60 erwerben, wobei sie in den größeren Konfektionen besser weggehe.
Supermärkte wollen die Kittelschürze nicht im Sortiment haben
Etwa 200 Stück werden im Monat verkauft. "Die Kittelschürze ist ein Artikel, der eher in kleinen Dimensionen über den Ladentisch geht", erzählt Klipp. Unter den 800 Händlern, die er mit Ostprodukten beliefert, sind auch große Supermärkte. Aber: "Bis jetzt gab es von denen noch keine Nachfrage nach Dederonkitteln. "Auch Klipp glaubt, dass die Tage der Dederonschürze gezählt sind. "In 20 Jahren gibt es die sicher nicht mehr."
Insgesamt gesehen also ist der Dederonkittel mit ostalgischem Spleen gegenwärtig wohl eher zum Liebhaberstück für Fetischisten geworden. Dabei geht es weniger um die modische Fasson. Als Verkörperung eines gewissen Rollenbildes wurde die Kittelschürze im Zuge der Emanzipation nach und nach an den Nagel gehängt.