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Dokumentarfilm Weltpremiere in Stendal

Der Dokumentarfilm "Paradogma" erlebte im Stendaler Kino seine Weltpremiere.

Von Birgit Tyllack 04.10.2018, 23:01

Stendal l Manchmal weht auch in Stendal ein Hauch von etwas Größerem. Zum Beispiel am Montagabend. Da gab es nämlich in den Uppstall-Kinos eine Weltpremiere zu feiern. „Paradogma“ heißt der Film und stammt vom niederländischen Filmemacher Marijn Poels. Zugegeben, die Tatsache, dass sowohl er, als auch sein Kameramann Volker Schmidt mittlerweile Wahlaltmärker sind, mag dazu beigetragen haben, dass ihr neuester Film zuerst hier gezeigt wurde.

Poels und Schmidt sind bereits durch ihren Film „The Uncertainty has settled“ („Der Bauer und sein Klima”) einem breiteren Publikum der Altmark bekannt. Und so war die Premiere schnell ausverkauft. Etliche Besucher, die auf gut Glück abends an der Kasse standen, mussten auf eine weitere Vorstellung vertröstet werden.

Der Dokumentarfilm „Paradogma“ befasst sich mit dem Thema Meinungsfreiheit beziehungsweise mit der Frage, ob wir tatsächlich noch frei sind in unseren Äußerungen. Ist die Gesellschaft noch in der Lage, in einen ordentlich geführten Diskurs zu treten, oder stehen sich verfeindete Lager gegenüber, ohne sich gegenseitig zuzuhören? Werden Paradigmen, also grundsätzliche Denkweisen, zu Dogmen, also zu Lehrmeinungen, die den Anspruch der absoluten Gültigkeit haben?

Poels tritt von seinem Heimatort Grünenwulsch eine Reise an, die ihn von Amsterdam über Edinburgh nach Schweden und Russland führt. Er lässt Medienwissenschaftler, Börsenmakler, Philosophen und Comedians zu Wort kommen. Es wird darüber geredet, dass der deutsche Journalismus weg vom Meinungs- und hin zum informativen Journalismus kommen muss, dass unsere Emotionen unsere politischen und moralischen Entscheidungen beeinflussen und dass es schön wäre, müsste man nicht immer politisch korrekt sein. Vielleicht sei das Recht, beleidigt zu sein, ein Zeichen der Meinungsfreiheit.

Poels besuchte aber auch einen Überlebenden des Breivik-Attentats, das 2011 auf der norwegischen Insel Utoya stattfand und 69 Menschen das Leben kostete. Dieser junge Mann hat sich für einen sehr mutigen und für viele kaum nachvollziehbaren Weg entschlossen: Er unterhält sich mit Personen, die sagen: „Ich stehe nicht hinter Breiviks Taten, aber ich teile seine Auffassungen!“ Das heißt, er gibt Andersdenkenden die Gewissheit, gehört und gesehen zu werden. In ihnen soll sich keine explosive Mischung aus Wut und Frustration anstauen.

„Paradogma“ ist ein Film, der sicherlich zum Nachdenken anregt, was auch die anschließenden lebhaften Diskussionen – im großen Kreis und in vielen kleineren – deutlich machten. Einige Interviews, die im Film gezeigt werden, laufen Gefahr, selbst zu einem „Paradogma“ beizutragen. Mangels Gegenmeinung könnten sie von Zuschauern, die zu Verschwörungstheorien neigen, als Bestätigung genommen werden.

Doch nimmt man den Film als Plädoyer für die Mündigkeit des Bürgers, bedeutet das unkommentierte Präsentieren lediglich: Setzen Sie sich in Ruhe damit auseinander. Machen Sie sich ein eigenes Bild, hören Sie anderen zu. Darum geht es bei Poels vorrangig: Wir sollen einander zuhören. Miteinander ins Gespräch kommen. Aber: „Wenn jemand menschenverachtend redet, kann ich mich nicht mit ihm unterhalten“, sagte eine Zuschauerin und sprach ein Dilemma an, in dem sich sicherlich viele befinden.

Poels und Schmidt haben bereits einen dritten Film im Sinn. Marijn Poels: „Es geht um Menschheit, Natur, Hoffnung – darum, dass wir einander brauchen. Und darum, dass wir, wenn wir die Welt schöner machen wollen, hier anfangen müssen: in meinem Ort.“

Nächste Vorführung: 24. Oktober, 19.30 Uhr.