Gutachterin im Prozess gegen Patricia B.: Baby wochenlang unterernährt Drei Monate alter Jason starb mit einem Greisengesicht
Mit den Aussagen von zwei Sachverständigen zum Tod des drei Monate alten Jason wurde gestern der Prozess gegen Patricia B. vor dem Landgericht fortgesetzt.
Stendal l Nicht nur mehrere Tage, sondern sogar mehrere Wochen hat der kleine Jason vor seinem Tod von seiner Mutter nicht ausreichend Nahrung bekommen. Das erklärte Rechtsmedizinerin Dr. Katja Jachau in ihrer Aussage vor dem Landgericht. Sie hatte den Säugling zwei Tage nach seinem Tod obduziert. "Was sofort auffiel, war, dass das Kind ausgezehrt war", sagte sie. Seine Augen waren eingetrocknet, die Rippen hatten sich abgezeichnet. Das Fettgewebe war auf ein Minimum reduziert. "Das große Netz in der Bauchhöhle, das die inneren Organe mit einer Fettschicht schützen soll, bestand nur noch aus Bindegewebe, die Fettzellen waren nicht mehr da", führte sie weiter aus.
Stück für Stück wurde der Magen-Darm-Trakt des kleinen Jason untersucht. Im Magen waren 2,1 Milliliter Flüssigkeit, In unterschiedlichen Abschnitten des Darms 10 bis 13 Gramm. "Auffällig war auch, dass die Bauchfellblätter nicht gespiegelt hatten, ein weiteres Zeichen für mangelnde Flüssigkeitszufuhr."
"Es handelt sich eindeutig nicht um plötzlichen Kindstod"
Pathologin Katja Jachau
Im Rahmen der Obduktion wurde dann untersucht, ob mögliche Fehlbildungen oder Erkrankungen verhindert hatten, dass genügend Nahrung aufgenommen werden konnte. Dem war jedoch nicht so. Und die im Rahmen eines Screeningtestes angezeigten Amphetamine wurden bei einem Kontrolltest auch nicht bestätigt.
"Es handelt sich eindeutig nicht um einen plötzlichen Säuglingstod", lautete das Resümee der Medizinerin. Diese Diagnose treffe nur zu, wenn es keinerlei Anhaltspunkte für den Tod eines Kindes gebe. Doch im Fall von Jason gibt es einige: eingefallener Bauch, Greisengesicht, Rippen, die sich durch den abgemagerten Brustkorb abzeichnen. "Laut Kinderuntersuchungsheft war seine Entwicklung unauffällig, sein Endzustand war aber extrem", fügte sie hinzu.
Ihrer Einschätzung nach sei Jason allerdings etwas früher gestorben, als auf dem Totenschein ausgewiesen. Demnach endete sein Leben am 26. Oktober um 6 Uhr morgens, Jachau schätzt: "Ich denke, es war ein paar Stunden früher, aber am 26." Auf Nachfrage des Gerichtes bestätigte sie, dass es durchaus sein könne, dass dem Jungen am Abend des 24. noch ein ganzes Fläschchen verabreicht worden sei.
Ob denn diese Entwicklung für die Mutter beobachtbar gewesen wäre, lautete eine weitere Nachfrage. Dr. Jachau wollte dies nicht mit Sicherheit bestätigen. Allerdings falle es doch auf, wenn man ein Kind täglich beim Wechseln der Windeln sieht, dass es an Gewicht verliert. Sie wies erneut auf die wochenlange Dauer der Mangelernährung hin: "Es ist nicht so, dass man einem Säugling einen oder zwei Tage nichts zu essen gibt und er gleich verhungert."
"Das Schütteln des Kindes war nicht die Todesursache"
Neuropathologe Christian Mawrin
Bei der Obduktion waren auch Verletzungen des Gehirns festgestellt worden. In solch einem Fall wird der Leiter des Institutes für Neuropathologie hinzugezogen. "Es gab eine Blutansammlung im Bereich der Hirnhäute", schilderte Professor Christian Mawrin bei seiner gestrigen Aussage. Außerdem seien Nervenbahnen gezerrt gewesen. Diese Schäden deuten auf ein Schütteln des Kindes hin. "Das war aber nicht die Todesursache", betonte er. Vielmehr war Jason wohl ein paar Stunden vor seinem Tod in der beginnenden Agonie geschüttelt worden, um ihn ins Leben zurückzuholen.
Der Prozess wird am 31. Mai um 13 Uhr fortgesetzt.