Stadtbekannt Eine neue Heimat in Ostfriesland
Günter und Waltraud Schulz verließen vor neun Jahren schweren Herzens Stendal. Bereut haben sie es nicht.
Stendal l Was machen eigentlich Günter Schulz und seine Frau Waltraud? Das werden sich in letzter Zeit sicherlich einige gefragt haben. Jahrzehntelang war das Ehepaar und auch deren Sohn Burkhard in Stendal der Inbegriff für den Tischtennissport. Seit neun Jahren lebt das Ehepaar nun schon im ostfriesischen Veenhusen, nahe der niederländischen Grenze. Nur ganz gelegentlich kommen die Rentner noch mal nach Stendal, um Freunde zu besuchen.
„Wir fühlen uns hier in Ostfriesland sehr wohl“, sagt Waltraud Schulz. Und Ehemann Günter pflichtet ihr bei. „Wir haben allerdings nie vorgehabt, Stendal zu verlassen“, sagt der 80-jährige Günter Schulz. Allein des Sportes wegen schon nicht. Meistens fünfmal in der Woche hat Günter Schulz mehr als 50 Jahre lang in der Halle gestanden und hat vielen jungen Leute in Stendal das Spielen mit Schläger und Zelluloidball beigebracht. Unter anderem den fünf Kindern von Hausarzt und Sportenthusiast Herbert Wollmann, der sie auch schon in Ostfriesland besucht hat. Viele Turniere und Punktspiele wurden über die Jahrzehnte in Stendal federführend von Günter Schulz ausgetragen, Heimstatt der Tischtennissektion von Lok Stendal war die Halle am Nordwall, die heute von den Oldtimer-Freunden der Classic-Garage für ihre Fahrzeuge genutzt wird.
Dass das Ehepaar Schulz 2008 doch Stendal verlassen hat, liegt entscheidend daran, dass Sohn Burkhard mit seiner Familie bereits 1991 ins ostfriesische Leer gezogen ist. Der seinerzeit 34-Jährige heuerte bei BSV Eintracht Leer an, der in der Bezirksoberliga spielte und sportlich hohe Ambitionen hegte. Gleichzeitig fand er einen Job beim Hauptsponsor des Vereins, einem Autohaus. „Ich bin mit dem Verein bis in die 2. Bundesliga aufgestiegen“, erzählt der heute 60-jährige Burkhard Schulz, der insgesamt 36 Jugendländerspiele zu DDR-Zeiten bestritt und 1973 bis 1975 im Sportinternat in Leipzig lebte und zeitweise der beste Nachwuchsspieler der DDR war. Allerdings war Tischtennis damals noch nicht olympisch und wurde quasi gar nicht gefördert.
Als Burkhard Schulz 1991 nach Leer ging, da waren nicht nur seine Frau und die beiden 1977 und 1981 geborenen Töchter Michaela und Doreen dabei, sondern bereits zwei Jahre später kamen auch die Schwiegereltern dazu. Weitere Verwandte folgten.
„Wir wurden immer wieder gefragt, ob wir nicht auch nach Ostfriesland ziehen wollen“, sagt Waltraud Schulz, die gerade ihren 81. Geburtstag gefeiert hat. Im Sommer 2008 habe sich dann kurzfristig die Möglichkeit ergeben, ein Haus zu erwerben. „Dann ging auf einmal alles ganz schnell“, sagt sie. Die geliebte Gartenparzelle wurde gekündigt und die Sachen für den Umzug gepackt. „Wenn wir nicht nur einen Sohn gehabt hätten, dann wären wir geblieben“, sagt Günter Schulz. Er hatte seinen Sohn seit den 1960er Jahren zusammen mit mehreren Dutzend Jugendlichen des Vereins trainiert und die Sektion in der gesamten DDR bekannt gemacht. Und das alles neben seiner Tätigkeit im RAW, wo er zunächst als Betriebsschlosser und später als Lehrfacharbeiter arbeitete und sich auch dort um die Ausbildung junger Leute kümmerte. Waltraud Schulz arbeitete bei der Handelsorganisation (HO) in der Frommhagenstraße und war für Finanzen zuständig. Zeitweise gehörte sie zur Finanzkommission des Tischtennisverbandes.
„Es waren sehr schöne Zeiten“, sagt Günter Schulz und meint die Zeit, als er und seine Frau jung waren und sich mit Haut und Haar dem Tischtennis widmeten. „Wir haben die ganze DDR kennengelernt“, sagt Günter Schulz. Mehrere Jahre war er beim FDJ-Lager in Bad Schmiedeberg sportlicher Leiter für Tischtennis und damit Ausrichter der DDR-Meisterschaften. „Ich war nicht nur mit meinem Mann, sondern auch mit dem Tischtennissport verheiratet“, sagt Waltraud Schulz. Beide haben ihre diamantene Hochzeit gerade gefeiert.
Den Tischtennisschläger nimmt Günter Schulz auch mit 80 Jahren immer noch in die Hand. Er und auch Sohn Burkhard spielen für den SV Warsingsfehn. Im März holten beide bei den niedersächsischen Landesmeisterschaften Medaillen und qualifizierten sich für die deutschen Meisterschaften. „Leider konnte ich nicht hinfahren, weil ich eine Augenoperation hatte“, sagt Günter Schulz. Möglicherweise klappe es im kommenden Jahr. Mittlerweile sei der Name Schulz unter Tischtennisspielern auch in Ostfriesland ein Begriff, sagt er.
„Wir sind überall sehr herzlich aufgenommen worden“, sagt er. Wenngleich der Wegzug von Stendal „sehr wehgetan hat“, so hätten er und seine Frau diesen Schritt nicht bereut. Den Kontakt zu Stendal halten sie telefonisch. Gelegentlich kommt Besuch.