1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Auf dem Bau fehlen die Leute

Fachkräfte Auf dem Bau fehlen die Leute

Das Bauhauptgewerbe sucht dringend nach qualifizierten Mitarbeitern. Erfolgreich sind dabei die wenigsten Betriebe.

Von Antonius Wollmann 31.07.2020, 18:21

Stendal l Thomas Richter- Mendau hat sich mit der Tatsache abgefunden. Geeignete Mitarbeiter für seine Bautischlerei zu finden, ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Auf der Suche nach Alternativen geht sein Blick immer öfter nach Osteuropa. „Wir kaufen dort Dienstleistungen ein“, sagt der Stendaler Unternehmer. Der Fachkräftemangel zwingt immer mehr Betriebe in der Region, diesen Weg zu gehen. Offene Stellen zu besetzen, falle in der Baubranche zunehmend schwerer, so ein Befund der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Demnach seien im vergangenen Jahr 42 Stellen länger als 90 Tage unbesetzt geblieben.

Die Agentur für Arbeit in Stendal korrigiert diese Zahl minimal auf 39 nach unten. Für den Juli meldet die Behörde allerdings bereits 175 nicht besetzte Stellen in allen Berufsgruppen des Baugewerbes. Ergebnisse einer Umfrage der Handwerkskammer Magdeburg unter den Betrieben im Kammerbezirk bestätigen die problematische Lage. 68 Prozent der Unternehmen aus dem sogenannten Bauhauptgewerbe gaben an, nach Fachkräften zu suchen. Nur bei 40 Prozent waren die Bemühungen von Erfolg gekrönt.

Für die IG Bau sind die Ursachen klar: Auf dem Bau werde schlicht und einfach zu wenig verdient. Außerdem ließen die Arbeitsbedingungen zu wünschen übrig und den Beschäftigten werden zu wenig Respekt für ihre Arbeit zu teil. Dem Befund der Gewerkschaft widerspricht Giso Töpfer, Hauptgeschäftsführer des Baugewerbe-Verbandes Sachsen-Anhalt, nicht. Dass die Baubranche unter dem Mangel von Fachkräften leidet, sei unbestritten.

Bei den Ursachen will er es sich jedoch nicht so einfach machen. Das Phänomen betreffe jede Branche in der Region. „Da unterscheidet sich das Baugewerbe nicht von anderen Bereichen“, argumentiert Giso Töpfer. Auch in deutlich besser bezahlten Berufen fehle es an Bewerbern. So habe man mit dem demografischen Wandel zu kämpfen, hinzu kämen strukturelle Probleme. „Jahrelang wurde ein Bild gezeichnet, wonach man nur mit Abitur und Studium eine berufliche Zukunft hätte. Die betriebliche Ausbildung wurde dagegen vernachlässigt.“

Mittlerweile dämmere es der Politik, dass man nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer benötige, bricht er eine Lanze für Ausbildungsberufe

Zumal es eine Zahl gebe, die Hoffnung macht. Mehr als 1000 Azubis seien im vergangenen Jahr im Baugewerbe ins Berufsleben gestartet. So viele wie seit Jahren nicht mehr . „Das liegt auch daran, dass wir in Sachsen-Anhalt die bundesweit zweitbeste Ausbildungsvergütung haben“, so Töpfer. Trotzdem müsse man junge Menschen noch mehr von der Attraktivität des Baugewerbes überzeugen. „Vom Handlanger-Image sind wir ja zum Glück schon weg. Jetzt geht es darum, die modernen Ausbildungsinhalte zu vermitteln.“ Gerade durch den technischen Fortschritt sei die Arbeit auf dem Bau deutlich vielfältiger und anspruchsvoller als ihr Ruf. „Am Ende muss aber natürlich auch die Kohle stimmen“, ist sich Giso Töpfer bewusst.

Mit Bonuszahlungen könnten Betriebe beispielsweise potenzielle Mitarbeiter locken, nennt Carolin Piehl, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Stendal, eine Möglichkeit. Vom Finanziellen abgesehen, spielten weichere Faktoren zunehmend eine wichtigere Rolle. Insbesondere die Generation der Berufseinsteiger lege großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und privaten Lebenszielen, so die Pressesprecherin. Darüber hinaus „würden die Garantie für einen mindestens 14-tägigen Sommerurlaub oder auch betriebliches Gesundheitsmanagement sowie familienfreundliche Arbeitszeiten Bewerber ansprechen“, schätzt Carolin Piehl ein. Davon abgesehen täten Unternehmen gut daran, ihren Angestellten Perspektiven zur beruflichen Weiterentwicklung zu eröffnen.

Dass das Handwerk sich dabei ins Zeug legen muss, legt die erwähnte Studie der Handwerkskammer nahe. Minimale vier Prozent der befragten Unternehmen hatten demzufolge überhaupt keine Probleme, offene Stellen zu besetzen.