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Feuer Wohnen neben einer Brandruine

Durch ein Feuer verliert Anneliese Eckstedt aus Tangermünde ihr Heim. Nach der Renovierung kann sie die Wohnung nun wieder beziehen.

Von Rudi-Michael Wienecke 18.11.2020, 00:01

Tangermünde l „Zuerst hatte ich das gar nicht mitbekommen“, erinnert sich Anneliese Eckstedt an den schrecklichen Morgen des 22. Mai. Lediglich Kratzgeräusche an der Wand, welche ihre Doppelhaushälfte von der benachbarten trennt, habe sie wahrgenommen, als sie im Hausanzug ihre Zeitung las. Schließlich stürmte ihre Schwiegertochter herein und rief: „Raus, raus, es brennt nebenan!“ Beide Damen verließen sofort die Wohnung, nur mit wenigen wichtigen Unterlagen, den Tabletten und einem Foto des vor mehr als 20 Jahren verstorbenen Ehemannes von Anneliese Eckstedt.

„Draußen sah ich dann den Qualm aus den Fenstern dringen“, so die heute 85-Jährige. Ihr wurde bewusst, in welcher Gefahr sie sich befand.

Ausgelöst wurde das Feuer in der Carl-von-Ossietzky-Straße durch eine defekte Heizdecke in der benachbarten Haushälfte. Als die Feuerwehr eintraf, stand das Erdgeschoss bereits in Vollbrand. Die Rettungskräfte gingen von innen und außen gegen die Flammen vor, ein 82-jähriger Mann und dessen 58-jährige Tochter konnten sich selbst aus dem Haus retten, mussten anschließend im Krankenhaus mehrere Tage lang medizinisch betreut werden. Für die 81-jährige Ehefrau und Mutter kam jede Hilfe zu spät. Sie konnte nur noch tot geborgen werden.

Zuerst fand Anneliese Eckstedt Unterkunft im Haus der Familie ihres Sohnes, schräg gegenüber von dem Brandort. Gleich anschließend bezog sie eine Pension nebenan, die nun für knapp vier Monate ihr Zuhause werden sollte. Von dort aus konnte sie beobachten und begleiten, was in den folgenden Wochen auf ihrem Grundstück passierte. Ihr war es wichtig, dass das Haus, in dem sie 60 Jahre wohnte und gemeinsam mit ihrem Mann die Kinder großzog, wieder hergerichtet wird.

Das war kein leichtes Unterfangen, denn nur „einen halben Stein“ vom unmittelbaren Brandort getrennt, wurde diese Wohnung stark in Mitleidenschaft gezogen. „Die Tapeten und der Fußboden waren schwarz vom Ruß“, beginnt die Seniorin die damalige Situation zu beschreiben. Im gesamten Haus habe es bestialisch gestunken und auch das Löschwasser habe sich den Weg durch die Räume gebahnt, bis in den Keller hinein. Möbel seien teilweise unbrauchbar geworden.

Zuerst sei sogar fraglich gewesen, ob das Haus überhaupt noch nutzbar sei. Schließlich habe ein Gutachter aber Gott sei Dank festgestellt, dass die Statik nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Nachdem auch die Versicherung ihr Okay gab, konnten die Arbeiten beginnen.

Zu sehr kontaminierte Möbel mussten ausrangiert werden, auch Teppiche und Läufer landeten im Container. Andere Gegenstände konnten durch die Mitarbeiter einer Fachfirma gereinigt werden. Fußböden und Wände, teilweise sogar der Putz, wurden ebenfalls erneuert. Genau vier Monate nach dem Brand konnte Anneliese Eckstedt ihr altes, nun saniertes Zuhause wieder beziehen.

Nach all der Aufregung in den vergangenen Wochen ist die Seniorin aber auch sehr dankbar für die Hilfe, die sie erleben durfte. Sie erwähnt die Männer und Frauen der Feuerwehr, die verhindern konnten, dass auch ihre Doppelhaushälfte komplett zerstört wurde. Sie nennt Freunde, Bekannte und Verwandte, die ihr beistanden, und die Stadt Tangermünde, die sofort nach der Tragödie einen Spendenaufruf für die Brandopfer startete, von dem auch sie profitieren konnte, und sie bedankt sich in diesem Zusammenhang natürlich auch bei den Spendern. Besonders hob sie aber ihre drei Söhne und deren Ehefrauen, die alle in Tangermünde wohnen, hervor: „Ohne ihre Hilfe hätte ich das nicht geschafft. Jede freie Minute, jedes freie Wochenende waren sie mit Ausräumen, Putzen und wieder Einräumen beschäftigt. Besonders bei der Hitze im Sommer war das Schwerstarbeit.“

Getrübt wird die aktuelle Situation von Anneliese Eckstedt allerdings durch einen Wermutstropfen. Beim Anblick der benachbarten Doppelhaushälfte wird sie immer wieder an die Tragödie vom 22. Mai erinnert. Dort hat sich seit dem Feuer nichts getan, erst nachdem Kinder das Objekt betraten, wurde es notdürftig mit einem Zaun gesichert. Die Rußspuren und Brandschäden sind deutlich zu erkennen, ein halb verkohlter Baum „ziert“ seit nunmehr fast fünf Monaten den Vorgarten und davor rottet ein Auto vor sich hin.

Fast noch schlimmer findet die Seniorin, dass vor der Ruine, für jedermann sichtbar, noch halb verkohlte, persönliche Gegenstände der betroffenen Nachbarsfamilie, die zwischenzeitlich eine neue Bleibe bezogen hat, liegen. „Dieser Anblick ist fast nicht zu ertragen“, klagt die Rentnerin, die in diesem Zusammenhang auch den enormen Wertverfall des eigenen Grundstücks im Blick hat. Ihr Wunsch ist, dass diese betroffene Haushälfte schnellstmöglich ebenfalls saniert wird.