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Fußpflege"Gefahr in Verzug" im Altenheim

Fußpflege-Notstand in Pflegeheimen: Aufgrund der Corona-Verordnungen drohen Bewohnern vermehrt Schmerzen beim Laufen.

Von Axel Junker 27.01.2021, 04:00

Bismark l Stephanie Voigtländer eröffnete 2013 in Bismark den Salon „Schöne Füße“. Wegen der Corona-Eindämmungsverordnung musste die Kosmetische Fußpflegerin ihren Salon in der Döllnitzer Straße am 16. Dezember 2020 schließen. Dass Voigtländer ihrem Beruf nicht nachgehen kann, damit steht sie in Corona-Zeiten nicht allein da. Sie darf aber aktuell auch nicht in den Bismarker Altenpflegeheimen arbeiten. Das ist laut geltender Eindämmungsverordnung nur Podologen vorbehalten. Die sollen die Arbeit der Fußpflegerinnen mit übernehmen. Dieser Gedanke ist aber weit weg von jeder Realität.

„Die Fußpflege ist in den Altenpflegeheimen nicht die Aufgabe der Mitarbeiterinnen“, erklärt Andreas Cosmar, geschäftsführender Vorstand des Diakonievereins Bismark, des Trägers der evangelischen Altenpflegeheime „Neue Heimat“ und „Haus der Sinne“. „Diese Leistung wird extern vergeben.“ So kümmerten sich vor Corona in den beiden Bismarker Altenpflegeheimen insgesamt drei Kosmetikerinnen um die Fußpflege. Alle drei dürfen aber derzeit die notwendige Behandlung der Bewohner nicht vornehmen.

Wegen der fehlenden Fußpflege „seiner Bewohner“ sieht Andreas Cosmar eine „Gefahr in Verzug“. Die Fußnägel wachsen ein, die Füße der Bewohner werden nicht mehr kontrolliert und Krankheiten nicht mehr rechtzeitig festgestellt. Die Bewohner haben vermehrt Schmerzen, wenn sie sich bewegen möchten. Die Podologen-Regelung in der Eindämmungsverordnung sieht Cosmar nicht nachvollziehbar und als falsch an.

„Ich bin keine Fußpflegerin, die nur die Nägel lackiert“, stellt Stephanie Voigtländer fest. Zu ihrer Berufsausbildung gehörte auch die medizinische Fußpflege. Vor Corona sorgte sie alle 14 Tage im Bismarker Altenpflegeheim „Haus der Sinne“ für die Fußpflege von jeweils fünf Bewohnern. „Wenn es notwendig war, kam die Podologin auf Rezept“, erklärt Voigtländer.

Bei der Nagelpflege der Bewohner geht es laut Stephanie Voigtländer vor allem um Vorbeugung. „Den älteren Leuten fehlt die Beweglichkeit“, erläutert Voigtländer. „Sie kommen allein nicht mehr an ihre Füße.“ Deshalb werden die Füße begutachtet, dem Einwachsen der Zehennägel wird vorgebeugt und bei Bedarf gibt es dann die entsprechenden Hinweise zur Weiterbehandlung durch Podologen oder Ärzte.

Die Arbeit der Fußpflegerinnen soll nun laut geltender Eindämmungsverordnung von den Podologen übernommen werden. Nur sie dürfen noch in den Altenpflegeheimen wegen ihrer Berufsbezeichnung an die Füße der Bewohner. In der Region der Einheitsgemeinde Bismark gibt es nur eine Podologin. Da derzeit die Füße der Bewohner nicht gepflegt werden, besteht „dringender Handlungsbedarf“. Da haben Stephanie Voigtländer und Andreas Cosmar eine Meinung.

„Wir hatten in der vergangenen Woche eine Kontrolle durch die Heimaufsicht“, berichtet Andreas Cosmar. Überprüft wurden die Hygiene-Konzepte und es wurde kontrolliert, „wie die Schnelltests laufen“, so Cosmar. „Die Kontrolle unserer beiden Altenpflegeheime ist super gelaufen“, schildert Cosmar das Ergebnis der Überprüfung durch die Heimaufsicht. Im Abschlussgespräch verwies Cosmar auf das Problem der Fußpflege. Dafür sei man nicht zuständig, so die Heimaufsicht. Da müsse er sich an das zuständige Ministerium im Land wenden.

Der Diakonie Mitteldeutschlands ist das Problem bekannt, laut Andreas Cosmar auch dem zuständigen Ministerium. „Man will aber aktuell nicht an den §7 der geltenden Eindämmungsverordnung ran“, so Cosmar. In der nächsten Verordnung, die Mitte Februar erwartet wird, sollen dann auch Änderungen bei der Fußpflege ein Thema sein.

Mit dem Blick auf das Dilemma rund um die Fußpflege in Altenpflegeheimen hat Stephanie Voigtländer in den vergangenen Tagen ganz viel telefoniert. Sie schilderte die Problematik unter anderem den Ordnungs- und Gesundheitsämtern, dem Pandemie-Stab des Landkreises Stendal und dem Wirtschaftsministerium in Magdeburg. Die Antworten ähnelten sich: Geht nicht, gibt es nicht, interessiert nicht. „Eine Fußpflege wird nur auf Rezept erlaubt“, so Voigtländer. Und auf Rezept dürfen nur Podologen arbeiten.

Ein wenig Unterstützung erfuhr Stephanie Voigtländer von der Handwerkskammer in Magdeburg. Die übersandte der Bismarkerin einen Entscheid des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 24. September 2013. Hier erlaubt das BGH einer Fußpflegerin „die Erbringung von Leistungen der medizinischen Fußpflege“. Sie darf ihre Tätigkeit als medizinische Fußpflege bezeichnen, darf sich aber nicht „Medizinische Fußpflegerin“ nennen. Mit dem Blick auf den BGH-Bescheid ist die Handwerkskammer der Meinung, dass Voigtländer ihrer Arbeit auch unter den Einschränkungen der geltenden Eindämmungsverordnung nachgehen kann.

Dass Stephanie Voigtländer bei ihrer Arbeit in den Altenpflegeheimen die geltenden Hygieneregeln einzuhalten hat, versteht sich von selbst. „Das ist für mich selbstverständlich“, erklärt die Bismarkerin. „Da gibt es auch schon ohne Corona vieles zu beachten.“ Wenn sie derzeit wieder in den Bismarker Altenheimen arbeiten dürfte, müsste sie auch einen Schnelltest machen. Doch die notwendige Fußpflege der Bewohner soll anscheinend noch bis Mitte Februar per Verordnung verhindert werden. Damit bleibt es drei weitere Wochen bei der von Andreas Cosmar ausgemachten „Gefahr in Verzug“.