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Gericht 17-Jährige klaut von ihren Eltern 3000 Euro

Angeklagte und Mittäter erzählen vor dem Amtsgericht Stendal von häuslichen Problemen und kaltem Entzug.

Von Wolfgang Biermann 24.11.2020, 07:00

Stendal l Mit einer angesichts des Alters der Angeklagten kaum fassbaren Anklage musste sich jüngst das Amtsgericht in Stendal befassen. Eine zur Tatzeit 17-jährige Stendalerin soll am zweiten Weihnachtstag vorigen Jahres mit ihrem gleichaltrigen Freund die Tür zur elterlichen Wohnung aufgebrochen und daraus 3000 Euro gestohlen haben.

Wohnungseinbruchdiebstahl lautet der Anklagevorwurf, der laut Staatsanwältin im Erwachsenenstrafrecht mit mindestens sechs Monaten Gefängnis bedroht ist. Höchststrafe zehn Jahre. Außerdem warf die Anklage der jungen Frau Ladendiebstahl vor. In einem Stendaler Einkaufsmarkt hatte sie im Mai Lebensmittel im Wert von zehn Euro eingesteckt, aber nicht bezahlt.

Staatsanwältin und Richter folgten letztlich der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe des Landkreises, wonach die beiden heute 18-Jährigen Reifeverzögerungen aufwiesen und damit strafrechtlich Jugendlichen gleichzusetzen seien. Gegen Verrichtung von je 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit wurde das Verfahren eingestellt. Schaffen sie die 60 Stunden in drei Monaten nicht, droht zweiwöchiger Dauerarrest.

Der Prozess bot einen Einblick in trostlos anmutende familiäre Verhältnisse beider Angeklagten. Mit 18 Jahren haben sie schon eine Drogenkarriere hinter sich. Sie streunte längere Zeit durch die Straßen, ging jahrelang nicht zur Schule und hat keinen Abschluss. Den wolle sie jetzt nachholen, blickt sie nach vorne. Seit Kurzem besuche sie die Schule, was ihr schwer falle – nicht wegen des Schulstoffes, sondern wegen der Regelmäßigkeit.

Häusliche Probleme hätten sie von Zuhause fortgetrieben, sagt sie. Mit ihrer Mutter lebte sie in Zwietracht. Die 3000 Euro hätten ihr zugestanden. Die Mutter hätte ihr das Geld verweigert, und sie sei deshalb „sauer“ gewesen, versuchte sie, den Diebstahl zu rechtfertigen. Reue? – Fehlanzeige. Der Vater hält trotzdem zu ihr. Er begleitete seine Tochter auch ins Gericht.

Anders ihr mitangeklagter Freund, mit dem sie eine „On-Off-Beziehung“ verbindet, im Moment sei sie gerade „off“, also aus. Eine Zeitlang wohnten sie zusammen. Der junge Mann macht nach eigenen Angaben gerade einen sogenannten kalten Rauschgiftentzug, mehrere erfolglose Therapien hat er hinter sich. Die Mutter ist verstorben, den Vater kennt er nicht. Eine Art Ziehmutter kümmert sich um ihn, sie war mit ihm im Gericht.

„Das war dumm“, gesteht er den Diebstahl ein. Auch er will dem Leben auf der Straße entfliehen, hat jetzt eine eigene Wohnung. Nach Beendigung der Schule wollen beide „was Soziales“ machen. Auf die erfolgreiche Umsetzung ihrer Vorsätze setzten Staatsanwältin und Gericht mit der Einstellung des Verfahrens.