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Getreideernte Arbeitszeiten legt das Wetter fest

Die Getreideernte läuft - auch bei der Landwirtsfamilie Plötze in Grieben. Arbeitstage nach fester Uhrzeit gibt es derzeit nicht.

Von Donald Lyko 09.08.2017, 02:00

Grieben l Heute kann ich endlich mein Versprechen einlösen. Das Versprechen des Wiederkommens, das ich vor etwa zehn Wochen gegeben habe – nach einem gemeinsamen Erntevormittag mit rumänischen Saisonarbeitern auf einem Spargelfeld bei Grieben. Sie erinnern sich vielleicht. Damals hatte Martin Plötze mich eingeladen: „Du kommst aber wieder, wenn wir das Getreide ernten.“ Klar doch, hatte ich spontan zugesagt. Denn nicht nur kleine Jungen fahren gern mal im Mähdrescher mit.

Gesagt, getan. Obwohl das mit dem „Getan“ nicht so einfach ist. Denn, wie gesagt, das Wetter bestimmt den Tagesablauf. Wir müssen den Besuch immer wieder verschieben – mal regnet es den ganzen Tag, mal ist nach Regen oder nächtlicher Feuchtigkeit das Getreide einfach zu nass, um geerntet zu werden. Die Hände legen die Bauern dennoch nicht in den Schoß, in diesen Wochen gibt es immer viel zu tun. Hacken auf dem Spargelfeld zum Beispiel.

An diesem Mittwoch klappt es, wir verabreden uns mit einem kurzen Telefonanruf – für 14 Uhr. Dann fahren sie raus mit Mähdrescher, Traktor und Anhänger. Wie, 14 Uhr? „Vorher geht es nicht, das Getreide ist vom Tau noch zu feucht“, erklärt mir Martin Plötze. Das weiß er so genau, weil die Feuchtigkeit des Getreides regelmäßig gemessen wird. Sie darf für die Ernte nicht über 14 Prozent liegen – und der Wert ist manchmal eben erst nachmittags erreicht, wenn die Vormittags- und Mittagssonne ganze Arbeit geleistet hat.

Dann geht es aber raus aufs Feld, solange es das Wetter zulässt – und auch wieder die Feuchtigkeit. „Wir mähen, bis es nicht mehr geht“, erzählt mir Christoph Plötze, während ich ihn auf dem Mähdrescher begleite. Meist wird es ein, zwei Uhr nachts, bis das Getreide wieder zu feucht ist. Während Christoph dann den Mähdrescher ausstellt, hat Vater Martin noch Arbeit vor sich. Denn die Anhänger auf dem Feld, die während der Mahd gefüllt werden, bringt er immer sofort zum Großhandel, zwischengelagert wird auf dem Hof in Grieben nichts.

Das heißt dann aber auch: Wenn der Mähdrescher schon auf den Hof zurückfährt, bringt Martin Plötze noch die letzten Fuhren zum Großhandel. Auch, damit am nächsten Erntetag die Wagen wieder leer sind. „Da sind dann schon mal 20-Stunden-Schichten möglich“, sagt der Griebener.

Zwei Nächte waren in den vergangenen Tagen so trocken, dass es gleich mit Sonnenaufgang mit der Ernte weitergehen konnte. „Da habe ich eben nur zwei Stunden geschlafen“, sagt Christoph Plötze. Klagend hört sich das nicht an, eher ganz selbstverständlich – eben von jemandem gesagt, der mit dem Herzen bei der Sache ist, der gern Landwirt ist und die Arbeit mag. Mit allem, was dazu gehört, wie unregelmäßige Arbeitszeiten. Oder ein Tagesablauf, bei dem der Landwirt Prioritäten setzen muss.

Während der Getreideernte – Martin Plötze: „Damit sind wir in diesem Jahr ganz normal in der Zeit“ – steht eines ganz oben: Wenn gemäht werden kann, muss gemäht werden. Auch an Samstagabenden, wenn Christophs Kumpels sich zum Grillen treffen. „Dann sehe ich manchmal die Rauchfahnen vom Grill im Ort aufsteigen und wäre gern dabei ...“ Nur ein kurzer Gedanke, dann ist der 30-Jährige wieder voll und ganz bei der Ernte.

Auf insgesamt 180 Hektar baut die Familie Weizen, Raps, Gerste und Lupinen an. Heute wird gleich hinter Grieben, auf einem Feld in Richtung Bittkau, Weizen gemäht, eine nicht so hochgewachsene Sorte. Gerade noch war Nachbarsjunge Ole ein paar Runden mitgefahren, jetzt darf ich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Mit 24 Grad Celsius ist es in der Fahrerkabine erheblich angenehmer als draußen, wo die Sonne für 30 Grad Celsius sorgt. Während wir so erzählen, schauen wir nach unten auf das 6,80 Meter breite Schneidwerk. Tastsignale an jeder Seite sorgen dafür, dass es sich an den Boden anpasst. Und wir schauen und schauen und schauen...

Wird das bei mehreren Stunden nicht irgendwann langweilig? „Nö, das finde ich richtig entspannend“, antwortet Christoph Plötze. Sogar auf Musik oder Radio in der Kabine verzichtet er seit einigen Jahren. Von „Er genießt die Ruhe“ zu sprechen, wäre angesichts der Maschinen- und Mähgeräusche nicht gerade treffend formuliert – und dennoch ist es für ihn eine Art Ruhe, die sich nicht in Lautstärke messen lässt.

Vieles im Mähdrescher übernimmt die Technik. Akustisch wird zum Beispiel angezeigt, wann der 9000 Liter fassende Korntank zur Hälfte, zu 75 Prozent oder komplett gefüllt ist. Kurz bevor das „Zwischenlager“ voll ist, schalten sich blinkende Signalleuchten auf dem Dach dazu. Pedale gibt es nicht im Erntefahrzeug, alles wird per Hebel, Lenkrad oder Knopfdruck gesteuert, zum Beispiel die Höhe der Haspel, die die Halme aufrichtet und zum Mähwerk führt, oder die Höhe des Messerbalkens. Auf diesem Feld ist er auf 90 Zentimeter eingestellt.

Auch wichtige Werte kann er abfragen, erklärt mir Christoph, während wir mit einer Geschwindigkeit von zweieinhalb bis drei Stundenkilometern übers Feld fahren. Er tippt durchs Display zu seiner Rechten. „Hier zum Beispiel wird angezeigt, wie hoch der Verlust wäre, wenn wir eine höhere Geschwindigkeit fahren würden.“

Mit dem Mähdrescher fahren wir einzelne Blöcke des Feldes ab – einerseits wegen des möglichst kleinen Wendekreises, andererseits, um die Wege zu den Anhängern kurz zu halten. Manchmal fährt Martin Plötze den Anhänger direkt neben dem fahrenden Mähdrescher, doch wenn er selbst gerade Getreide zur Annahmestelle des Großhandels bringt, stehen die Wagen an zentralen Punkten. Ist das Feld abgeerntet, wird das gehäckselte Stroh untergepflügt. Martin Plötze: „Das ist doch Gold für den Boden, das sind reine Nährstoffe.“

Als ich mich am frühen Abend verabschiede, haben die Herren der Familie noch ein paar Erntestunden vor sich. Die Frauen übernehmen die Versorgung, bringen Essen und Getränke zum Feld hinaus. „Oft isst Christoph gleich im Mähdrescher, macht kaum eine Pause“, erzählt seine Mutter Gabriele, die gerade vom Kindergarten kommt, wo sie Enkel Malte abgeholt hat. In diesen Tagen übernimmt die Oma das, denn Maltes Mutter Maria Plötze arbeitet am Stand des „Griebener Hofes“ in der Stendaler Poststraße, während sich ihr Vater und ihr Bruder Christoph um das Getreide kümmern – so läuft das (sehr gut) im Familienbetrieb.