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Volkshochschule In der Ukraine aufgewachsen, in Stendal zuhause: Vitaliy Lubazhevs persönlicher Friedensdienst

Für Vitaliy Lubazhev ist Stendal zum neuen Zuhause geworden. Bewegt vom Krieg in seiner ukrainischen Heimat, leistet er einen ganz persönlichen Beitrag für die Verständigung.

Von Donald Lyko 06.04.2022, 15:59
Vitaliy Lubazhev startet als Dozent an der Städtischen Volkshochschule Stendal und gibt demnächst Russisch- und Ukrainischkurse für Anfänger.  Im Team begrüßt wurde er von VHS-Leiter Felix Engel und Tabea Breuer, die den Fachbereich Sprachen leitet.
Vitaliy Lubazhev startet als Dozent an der Städtischen Volkshochschule Stendal und gibt demnächst Russisch- und Ukrainischkurse für Anfänger. Im Team begrüßt wurde er von VHS-Leiter Felix Engel und Tabea Breuer, die den Fachbereich Sprachen leitet. Foto: Donald Lyko

Stendal - Russisch und Ukrainisch – beides spricht Vitaliy Lubazhev als Muttersprache. Geboren wurde er in Ulan-Ude, einem Ort am Baikalsee im südlichen Sibirien, heute Teil der Russischen Föderation. Seine Kindheit und Jugend hat er zum größten Teil aber in Odessa verbracht. „Darum sehe ich die Ukraine als meine wahre Heimat“, sagt er.

Mittlerweile lebt er seit 17 Jahren in Deutschland, genauso lange wie in Ulan-Ude und Odessa zusammen. Mit seiner Familie wohnt er in Stendal.Und genau dort, an der Städtischen Volkshochschule Stendal, möchte er nun einen kleinen, ganz persönlichen Beitrag für den Frieden leisten – mit Anfängerkursen Russisch und Ukrainisch. Dass beide Kurse gleichzeitig starten, ist für Vitaliy Lubazhev das „Symbol einer friedlichen Koexistenz“. Denn, sagt er: „Für die aktuelle Situation gibt es nur eine mögliche Lösung: Miteinander statt gegeneinander.“

Dies lasse sich auf verschiedenen Wegen erreichen, „vor allem aber durch interkulturelle, sprachliche und zwischenmenschliche Verständigung“. Damit verbindet er seine Hoffnung, mit den Sprachkursen Ukrainisch für Anfänger und Russisch für Anfänger zu „einer solchen Entwicklung zum Guten beitragen zu können“.

Als Lehrer bereitet er Schüler aufs Abitur vor

Für die Kurse bringt der 34-Jährige das notwendige Rüstzeug mit. Denn er ist Lehrer. Deutschland, sagt Vitaliy Lubazhev, „ist mein neues Zuhause geworden. Hier habe ich studiert und promoviert. Hier habe ich meine Frau kennengelernt und hier kam unsere Tochter zur Welt.“ Anfangs wollte er für die Forschung an eine Universität gehen, „doch mein Schicksal hatte andere Pläne für mich: So wurde ich Lehrer und arbeite heute hauptsächlich in der Oberstufe, wo ich als Englisch- und Russischlehrer junge Erwachsene auf dem Weg zum Abitur begleite.“ Es sei eine erfüllende Arbeit, junge Menschen auf das Studium vorzubereiten. „Deshalb bin ich heute überzeugt, dass meine Arbeit trotz eines schweren Anfangs genau das Richtige für mich ist.“

Beruflich und privat schätzt er sich glücklich, „doch zugleich leide ich“, sagt er mit Blick auf die aktuelle Situation im Land seiner Kindheit und Jugend. „Als die Ukraine angegriffen wurde, konnte ich es zunächst nicht glauben. Auch wenn mir seit mehreren Jahren bewusst war, dass es sich hierbei um ein mögliches Szenario handelte.“

Denn bereits 2004 habe es erste Anzeichen dafür gegeben, dass das ukrainische Volk unzufrieden mit seiner pro-russischen Regierung war, was zehn Jahre später dank der „Revolution der Würde“ (Euromaidan) offensichtlich wurde. „Die heutigen Entwicklungen haben gewiss in diesen Jahren ihren Ursprung. Ungewiss bleibt nur unsere Zukunft.“

Dieser Zukunft etwas von ihrer Unsicherheit zu nehmen, dafür möchte sich der Stendaler nun als Dozent an der Städtischen Volkshochschule engagieren. Für ihn gehe es um „das symbolische Miteinander“ von Russen und Ukrainern – wofür die parallel laufenden Sprachkurse stehen. Die Idee dahinter sei, „dass die Menschen, die Russisch als Muttersprache sprechen, deswegen nicht stigmatisiert werden, darunter auch Ukrainer, was diesen verständlicherweise paradox erscheint“.

Dass Vitaliy Lubazhev die beiden Sprachkurse geben wird, hat sich sehr kurzfristig und als Folge einer glücklichen Begegnung in der Volkshochschule ergeben. Dort gab seine Frau einen Kurs zum Herstellen von Papierblumen, am Rande kam der 34-Jährige mit VHS-Leiter Felix Engel ins Gespräch. Noch am selben Tag wurden Nägel mit Köpfen gemacht und die Kurse vereinbart.

Sehr zur Freude von Felix Engel und der Fachbereichsleiterin Tabea Breuer, denn zur Betreuung von und Verständigung mit Kriegsflüchtlingen dürfte es zum Beispiel für Mitarbeiter in Behörden und bei Großvermietern, für Hilfsorganisationen und Privatpersonen interessant sein, Grundlagen der russischen oder ukrainischen Sprache zu lernen.

Ständig im Kontakt mit Freunden und Familie

Während Vitaliy Lubazhev neu im Dozententeam ist, schaut Svetlana Kischinski schon auf zwei Jahre zurück. Auch sie ist als Lehrerin an einer staatlichen Schule tätig und gibt abends Kurse an der VHS. Mit ihr startet in diesem Monat ein Fortgeschrittenen-Kurs Russisch. Zu dem sind alle eingeladen, die über Grundkenntnisse verfügen. Sollten sie aus der Schulzeit stammen und schon etwas eingestaubt sein – kein Problem.

Den Krieg in der Ukraine verfolgen Svetlana Kischinski und Vitaliy Lubazhev nicht nur über die offiziellen TV-Sender, sondern in ganz persönlichen Gesprächen, Briefen, Nachrichten und versandten Fotos. Denn beide haben noch Familie und Freunde dort – in der Ukraine und in Russland.