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Kommunalwahl Unter besonderer Beobachtung

Der 34-jährige Verwaltungsmitarbeiter Philipp Krüger leitet nach den Skandalwahlen von 2014 und 2015 die Kommunalwahlen in Stendal.

Von Bernd-Volker Brahms 29.03.2019, 00:01

Stendal l Er ist um seinen Job nicht zu beneiden. Der 34-jährige Philipp Krüger ist in Stendal der Wahlleiter für die Kommunalwahlen am 26. Mai. Wenn der Verwaltungsmitarbeiter, der ansonsten das Büro des Oberbürgermeisters leitet, seine Sache gut macht und die Wahl so geräuschlos abwickelt wie es eigentlich üblich ist, dann werden die Leute sagen: „Da hat er halt seinen Job gemacht.“ Aber wehe dem, es geht wieder was schief. Dann wird es heißen: „Die kriegen ja auch gar nichts geregelt.“

Philipp Krüger ist sich seiner besonderen Verantwortung bewusst. „Die Aufmerksamkeit ist da, das merke ich", sagt der Tangerhütter, der vor seiner Ausbildung im Stendaler Rathaus acht Jahre lang bei der Bundeswehr gewesen ist. Als Ausdruck der Aufmerksamkeit kann gewertet werden, dass bereits am Montag beim Wahlausschuss zur Zulassung der Kandidaten 60 Leute anwesend waren. Er versuche, den Druck nicht zu groß werden zu lassen. „Wenn man zu großen Druck verspürt, dann passieren leicht mal Fehler", sagt er.

Um dem Druck entgegenzuwirken, ist er äußerst akribisch ans Werk gegangen. Schon seit Anfang des Jahres, als Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) ihn fragte, ob er sich die Tätigkeit als Stadtwahlleiter vorstellen könne, bereitet er sich auf die Aufgaben vor. Er hat viel gelesen und mit Kollegen auch durchgespielt, was 2014 und 2015 schiefgegangen ist. Ein gravierender Fehler im Rathaus hatte es dem Wahlfälscher Holger Gebhardt einfacher gemacht, massenhaft Briefwahlunterlagen im Rathaus abholen zu lassen. Obwohl lediglich vier Unterlagen von einer Person abgeholt werden durften, waren es damals bis zu 30 Unterlagen gewesen, die Gebhardt-Boten ausgehändigt bekamen.

„Die damals neue Regel war auf Seite 66 eines Durchführungserlasses abgedruckt“, sagt Krüger. Die Regel sei neu gewesen und in Stendal wohl „einfach durchgerutscht“. Damit so etwas nicht wieder passiert, werden die Erlasse nun mit mehreren Mitarbeitern zusammen studiert. Zum Vorbereitungsteam der Wahl gehören fünf Verwaltungsbeschäftigte, unter ihnen auch der damalige Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt (CDU) und Rechtsamtsleiter Rüdiger Hell. Kleefeldt war 2016 als Wahlleiter vom Stadtrat abgewählt worden. Oberbürgermeister Schmotz, der eigentlich per Gesetz als Wahlleiter vorgesehen ist, ist nicht dabei, da er bei der Kommunalwahl für den Kreistag kandidiert.

Eine gewisse Nervosität bei den Mitarbeitern des Einwohnermeldeamtes habe er jetzt gespürt, so Krüger, als es öffentliche Vorwürfe der Wählergruppe „Bürger für Stendal“ gab, die sich nicht ausreichend darüber informiert gefühlt hatten, dass sie ihre Unterstützerunterschriften erst nach der Aufstellung ihrer Liste sammeln durften. Neue Gruppen und auch Einzelbewerber müssen 100 Unterschriften von Leuten aus Stendal zusammen bekommen, die ihre Kandidatur unterstützen.

„Ich habe da noch mal das persönliche Gespräch gesucht“, sagt Krüger. Er und seine Mitarbeiter könnten sich keinen Vorwurf machen. Auf dem Formular, dass den Interessenten ausgehändigt wurde, habe das Prozedere deutlich sichtbar gestanden.

„Ich freue mich, dass alle Kandidaten zugelassen werden konnten“, sagt Krüger. Das große Interesse an einer Mitarbeit im Stadtrat zeige, dass ganz offensichtlich im Nachgang des Wahlskandals das Demokratieverständnis in Stendal noch gestiegen sei.

Die ungewöhnlich hohe Zahl an Einzelbewerbern – fünf sind es – und zwei neue Wählergruppen bedeuten für den Wahlleiter und seine Kollegen allerdings auch mehr Arbeit. Es mussten mehrere Hundert Unterstützerunterlagen geprüft werden. „Ich bin persönlich alle einzeln durchgegangen“, sagt Krüger.

Zur Akribie gehöre auch, dass er sich jeden Tag aus dem Einwohnermeldeamt berichten lasse, ob es besondere Vorfälle gegeben hat.

Im Übrigen hat er sich auch alle 36 Wahllokale angesehen und auf Barrierefreiheit und die telefonische Erreichbarkeit überprüft. Darüber hinaus wurden für alle Wahllokale neue Wahlkabinen angeschafft, wofür rund 20.000 Euro ausgegeben wurden. Bezüglich Wahlkabine habe es auch Anfragen der Parteien gegeben, so Krüger, schließlich habe die FDP 2015 bei der Nachwahl das Wahlgeheimnis formal verletzt und die Listenaufstellung nachträglich verändert. Gerichte mussten sich damals mit der Gültigkeit der Wahl beschäftigen. „Ich glaube, alle haben aus den Vorgängen dazugelernt“, sagt der Wahlleiter.

Bei der Wahl am 26. Mai rechnet Krüger mit einem langen Wahlabend und Auszählungen bis weit nach Mitternacht. „Wir haben ja nicht nur den Stadtrat, sondern auch die Europawahl, den Kreistag und die Ortschaftsräte. Da gibt es einiges zu zählen.“