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Kriminalität Damit falsche Enkel leer ausgehen

Wo Kriminalrat a.D. Lothar Schirmer auftritt, sorgt er für Staunen und Aufsehen. In Stendal kam er mit seinen Ratschlägen gut an.

Von Egmar Gebert 20.05.2018, 02:00

Stendal l Vortrag und Lesung. Das klingt nicht unbedingt nach einem humorvollen Nachmittag. Eine Garantie darauf hat man allerdings, wenn der Vortragende und Lesende Lothar Schirmer heißt, 40 Jahre als Kriminalist gearbeitet hat und mit einer Begabung gesegnet ist, um die ihn manch Bühenprofi beneiden mag. Kurz: Der Stadtseniorenrat, der den Kriminalrat a.D. am Mittwoch zu „Vortrag und Lesung“ nach Stendal eingeladen hatte, versprach nicht zu viel, als er den rund 70 Gästen in der Stadtbibliothek „zweimal 45 kurzweilige Minuten“ ankündigte.

Das begann schon mit dem Entree zu Schirmers Buchlesung, die weit mehr als das werden sollte. „Drah‘ di net um, oh oh oh. Schau, schau, der Kommissar geht um! Oh oh oh...“, schmetterte es mit Sänger-Legende Falco in den Saal. Und genau das tat Kriminalrat a.D. Schirmer dann auch, plauderte mal einen Schritt nach links machend mit den Zuhörern, dann wieder auf die gegenüberliegende Seite schlendernd aus seinem Kriminalistenleben. Das begann er als 20-jähriger Kriminal- assistent in Magdeburg. „Ich wollte in die große Stadt, hatte keine Lust, in Havelberg Kaninchendiebe zu fangen.“

Obwohl – so doll war es dann in Magdeburg mit der Kriminalität auch nicht. „Mit 6000 bis 8000 Straftaten im Jahr – bei immerhin 330 000 Magdeburgern – lagen wir im Mittelfeld. Die Spitze hatte Berlin. Die haben wir denen auch gegönnt, die hatten schließlich auch Spee gekörnt und so.“ Mehr als solche kleinen Sätzchen, die er immer mal wieder einschob, brauchte Schirmer nicht, um komplexe Situationen punktgenau zu beschreiben.

„Trockene Statistik? Die klingt bei Lothar Schirmer so: „Die Ersten, die sich nach der Wende wiedervereinigt hatten, waren die Leute mit dem gestörten Verhältnis zum Eigentum. Das ließ die Kriminalität hochschießen. 1995 hatten wir in Magdeburg 62 000 Straftaten. Aber das ging dann bis 2011 kontinuierlich runter.“

Den darauffolgenden Anstieg schreibt der Kriminalist denjenigen zu, „die damals Polizistenstellen gestrichen haben und jetzt wieder dafür sorgen wollen, dass es mehr Polizisten werden. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Allein dieser Teil des Programms hätte ein abendfüllender werden können. Doch da war ja noch das Buch, sprich Schirmers Lesung daraus, zu der er dann überging.

199 authentische Kriminalfälle auf 270 Seiten derart humorvoll und spannend zu schildern, dass man sich von einem Kurzkrimi zum nächsten „frisst“, ist eine Kunst. Der gestandene Kriminalbeamte Schirmer beherrscht sie. Ob Gauner in Mönchskutte oder betrogener Pfarrer, Mitleid heischende Schöne oder mit wertlosen Goldringen agierender Italo-Jugoslawe, falsche Anwälte und Polizisten, die gutgläubige Menschen abzocken, oder Trickdiebe, die ihre Opfer im wahrsten Sinn des Wortes auflaufen lassen – sie alle haben in „Die Tricks der Gauner und Ganoven“ ihren Auftritt. Zu jeder von Schirmer skizzierten und entlarvten Masche gibt es Tipps vom Kriminalrat.

Übrigens: Dass sein Buch gern von jungen Leuten als Geschenk für ihre Oma gekauft wird, weil die dann weniger auf den Enkeltrick hereinfalle und so ihr Erbe den echten Enkeln sicherer sei, könnte vielleicht stimmen. Hundertprozentig wahr ist hingegen, dass sich Lothar Schirmer in Stendal so wohl fühlte, dass er wiederkommen wird. Dann mit seiner Veranstaltungsreihe „Gauner, Tricks und Jazzmusik“. Wann genau, wird der Kriminalrat a.D. seine Fans und heute neugierig Gewordene rechtzeitig wissen lassen.