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Kunst-Aktion Altes Gemäuer in neuem Licht

Ein Teil Stendals wird diese Woche in ein ganz besonderes Licht getaucht, historische Gebäude kunstvoll in Szene gesetzt.

Von Nora Knappe 19.10.2016, 01:01

Stendal l Die Natur als Malerin, die die herbstlich-trübe Stadt mit Gelb- und Rottönen in einer letzten Anstrengung in belebende Farben taucht, wird diese Woche von menschlichen Künstlern unterstützt: Bei den 2. Stendaler Lichttagen wird ein Teil der Altstadt fantastisch illuminiert. Auf einem Rundgang, der die nah beieinanderliegenden Stätten umfasst, kann man die Stadt also wahrlich einmal in einem anderen Licht erleben – von Donnerstag bis Sonnabend jeweils von 19 bis 22 Uhr.

Unter dem Titel „lumina somno“ nimmt sich Michael Krüger die „starre, majestätische Form des Tangermünder Tores“ vor und macht sie zur Präsentationsfläche für die Enstehung und den Verfall historischer Ereignisse der Stadt Stendal. „Dabei wird sowohl an den Grundmauern des Tores gerüttelt als auch an denen der Zuschauer.“ Mit einem lichtstarken Beamer wird ein vollflächiges Bild auf das Tor projiziert, das dann mit effektvollen dreidimensionalen Bildern und Toneffekten die Zuschauer in seinen Bann ziehen möchte.

„Dynamische Licht-Environments“ nennt Laurenz Theinert seine Installation, die er gemeinsam mit Musikern entwirft. Im Ambiente einer Alstom-Werkhalle werden Licht und Musik gespielt. Dafür hat er das Instrument „visual piano“ (visuelles Klavier) erfunden, mit dem er grafische Muster in Echtzeit generiert. Diese werden als 360-Grad-Panoramaprojektionen raumfüllend direkt auf die Wände und alle Gegenstände im Raum projiziert. „Der Charakter des Raums vermischt sich mit dem Zauber des Lichts“, beschreibt es Theinert. „Eine flüchtige Haut aus ständig wechselnden Formen und Farben überspannt alles – die Realität der Werkhalle vermischt sich mit Grafik und Musik zu einem traumhaften Gesamtkunstwerk.“ Die Klänge sind Elemente aus der Weltmusik und Jazz, „sie sind poetisch, aber laut“.

Der künstlerische Leiter der Stendaler Lichttage, Herbert Cybulska, macht mit seiner Lichtprojektion „P.O.T. 16“ den Pulverturm zum Wendepunkt des Lichttage-Rundgangs. Gemeinsam mit Stefan Köffler, einem Lichttechniker aus Speyer, setzt er dieses Relikt aus alten Zeit als Teil der einstigen Wallanlage mit Licht in Szene.

Sigrid Sandmann hat eine eigens auf den Ort zugeschnittene Lichtprojektion erarbeitet. Sie heißt: „Wild, verzaubert und ruhig sollte mein Traumgarten sein“. Grundlage sind persönliche Gespräche zum Thema Garten, die sie mit Stendalern geführt hat. „Durch die Einbindung der Menschen vor Ort wird die Wort-Licht-Projektion zu einer experimentellen Gedankenspiegelung“, fasst sie zusammen. „Persönliche Wörter werden in den öffentlichen Raum projiziert, von den Menschen aufgenommen und mit individuellen Vorstellungen, Werten und Fantasien reflektiert. So kann in dem Licht-Wort-Spiel für die Betrachtenden ein Assoziationsraum mit ganz eigenen Erinnerungen und Geschichten entstehen.“

Was passte besser in das Ambiente des Klostergartens hinter dem Altmärkischen Museum als ein Gartenthema? Und so heißt das hier umgesetzte Projekt auch „Hildegards Garten“, eine Performance mit Texten und Musik.

In einer Collage von Aud Merkel erklingen Texte und Musik von Hildegard von Bingen. Im frühen Mittelalter wurde die Äbtissin besonders bekannt durch ihr Wissen über Pflanzen und Naturstoffe. Sie entwickelte ein weit über theologische Fragen hinausgehendes Welt- und Menschenbild und interessierte sich für viele verschiedene Wissensgebiete, was sie zu einer der bedeutendsten Gelehrten des Mittelalters machte. Und sie komponierte und dichtete. Ihr Mysterienspiel „Spiel der Kräfte“ gilt als eines der ältesten Theaterstücke und wurde mit Schauspielern des Theaters der Altmark für die Lichttage als Hörspiel produziert. Des Weiteren ist eine Klangcollage mit Aphorismen und Gesängen Hildegard von Bingens zu hören sowie von Schauspielern live vorgetragene Auszüge aus ihren Visionen und Pflanzenbeschreibungen.

Die erste Aufführung beginnt um 19 Uhr, danach jeweils stündlich.

Licht eingefangen hat Hans-Jörg Rozynek in Form von Fotografie und nennt seine Ausstellung „Ein Augenblick für die Natur“ – eröffnet wird sie am Donnerstag um 19.30 Uhr.

Klostermedizin aus „Wald und Flur“ war lange Zeit unerlässlich für die Heilung und Gesunderhaltung der Menschen. In Italien galten schon im 11. Jahrhundert Klöster als hervorragende Stätten naturwissenschaftlicher und medizinischer Lehre. Das Benediktinerkloster von Monte Cassino oder die Medizinschule von Salerno hatten einen wesentlichen Einfluss auf die Durchsetzung der Heilkunde und die Anwendung von Heilpflanzen, die dann auch mit den Benediktinern nördlich der Alpen Einzug hielt. Ordenspflicht war für die Benediktiner außerdem die Urbarmachung des Landes und der Gartenbau. Der gebürtige Altmärker und in Tangermünde lebende Künstler Hans-Jörg Rozynek hat einen großen Teil seines Schaffens den Heilpflanzen gewidmet. Anlässlich der Stendaler Lichttage möchte er mit seiner Ausstellung im Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters an die Bedeutung der Natur für die Menschen erinnern.

Unter dem Titel „The Mask – Die After-Show-Party der 2. Stendaler Lichttage“ findet hier im Festsaal am Sonnabend ab 23 Uhr die Abschlussveranstaltung mit zwei DJs statt. Michael Krüger, der das Tangermünder Tor in Szene setzt, ist auch hier maßgeblich an der Gestaltung beteiligt. „Im Mittelpunkt wird eine fünf Meter hohe Kunststoffmaske stehen, die ich mit Lichteffekten beschießen werde“, kündigte er an.

Die 2. Stendaler Lichttage sind eine Initiative der Kaschade-Stiftung in enger Zusammenarbeit mit der Hansestadt Stendal. Sie werden am Donnerstag, 20. Oktober, um 19 Uhr am Tangermünder Tor eröffnet. Der Eintritt zu den einzelnen Veranstaltungen ist frei.