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Landratswahl Ohne den richtigen Rückenwind

Landrat Carsten Wulfänger musste bei der Wahl in Stendal auch für das Agieren der Kreis-CDU büßen. Eine Analyse eines CDU-Debakels.

Von Bernd-Volker Brahms 03.12.2019, 00:01

Stendal l Es hatte Symbolcharakter, dass Landrat Carsten Wulfänger am Sonntag bei der Auszählung der Wählerstimmen nahezu allein in seinem Büro im Landratsamt saß. Besuch hatte der Christdemokrat außer von der Bismarker Bürgermeisterin Annegret Schwarz (CDU) nur noch von den beiden CDU-Abrünnigen Nico Schulz und Rüdiger Kloth von der Pro Altmark.

Wulfänger wollte am Abend der Wahl seine erdrutschgleiche Niederlage nicht großartig kommentieren. Und auch am Tag danach war er für die Volksstimme für eine Analyse nicht zu erreichen.

Vom CDU-Kreisverband gab es noch am Wahlabend auf Facebook eine Stellungnahme – die jedoch zumindest für einige eine bemerkenswerte Aussage hatte: „Vielen herzlichen Dank für die Unterstützung in den letzten Wochen und Monaten sowie für die heutigen Wählerstimmen bei der Landratswahl. Wir werden uns weiterhin für unseren schönen Landkreis Stendal engagieren, das sind wir unseren Wählern schuldig, die uns jeden Tag motivieren“, hieß es dort. Erster Kommentator zu der CDU-Einlassung im Internet ist die des Seehauser Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth: „Ich bin fassungslos über diese Erklärung zum Wahlausgang! Merkt ihr überhaupt noch irgendwas??? Zieht endlich die notwendigen und längst überfälligen Konsequenzen. Wieviel Schaden wollt ihr denn noch verursachen!“

Der CDU-Kreisvorsitzende Chris Schulenburg schlug am Tag nach der Wahl einen etwas anderen Ton mit einem Hauch von Selbstkritik an: „Das Wahlergebnis war ein tiefer Schlag, denn es spiegelt in keiner Weise die vielen positiven Erfolge von Carsten Wulfänger in den letzten Jahren wider. Wir haben in den letzten Monaten im Wahlkampf viele Bürgergespräche geführt und da spielten unterschiedliche Dinge eine Rolle – sozusagen eine politische Gemengelage – der Wahlskandal von 2014 war da aber nur ein Punkt von vielen. Das Thema „Wendt“ haben wir dann letzte Woche noch gratis dazubekommen, was auch nicht besonders hilfreich war. Diese Themen müssen wir in der Kreis-, Landes- und Bundes-CDU besprechen“, sagte Schulenburg. Er sieht für Wulfänger, der bis zum 18. März 2020 noch im Amt ist, noch eine Zukunft. „Seine kommunalpolitischen Erfahrungen sind für uns besonders wichtig, deshalb wird er auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei uns in der Partei spielen.“

Dass ausgerechnet die führenden Köpfe von Pro Altmark sich bis zum Ende hinter Landrat Wulfänger gestellt haben, ist bezeichnend. Von der eigenen Partei hatte der Amtsinhaber wenig Rückenwind, wenngleich er für Anzeigenkampagnen in den drei Wochen bis zur Stichwahl noch einige Altgetreue für ein Foto mobilisierte konnte.

„Es hat den Falschen getroffen“, sagt der Osterburger Bürgermeister Nico Schulz. Wulfänger habe eine gute Arbeit gemacht. Am Ende sei er jedoch für das Agieren der Parteispitze im Landkreis abgestraft worden. „Es war die Rache des Wählers“, sagte Schulz.

Der von der CDU nicht aufgearbeitete Wahlskandal sei der entscheidende Faktor der Wahl gewesen. Schulz vermutet, dass Wulfänger eine ungleich größere Chance zur Wiederwahl gehabt hätte, wenn er sich ebenfalls von der Kreis-CDU abgewandt hätte, so wie er und zahlreiche andere ehemalige CDU-Mitglieder dies Ende des vergangenen Jahres getan hatten, so Schulz.

Der Osterburger Bürgermeister gibt zu, dass er in den vergangenen Woche mehr als einmal hätte erklären müssen, warum ausgerechnet die Pro-Altmark den CDU-Landrat stützte. „Das haben viele nicht verstanden“, sagt Schulz. Er allerdings glaubt fest, dass Wulfänger mit der Wahlmanipulation nichts zu tun habe.

Wie nach der krachenden Niederlage bei der Kreis-CDU weiter agiert wird, kann nur spekuliert werden. Für den Kreisvorsitzenden Chris Schulenburg, der sich beim Wahlkampf Wulfängers auffällig zurückhielt und wenig gemeinsame Auftritte hatte, dürfte die Luft bald dünn werden - nicht nur was den Kreisvorsitz angeht. Der einstige Vorzeigelandkreis, bei dem die CDU für 40 Prozent bei Kommunalwahlen gut war, stellt nur noch wenige Bürgermeisterposten und die Kreitsagsfraktion ist arg geschrumpft. Auch die eigene Kandidatur für den Landtag im Sommer 2021 könnte für Schulenburg schwierig werden. In seinem Wahlkreis Osterburg-Havelberg hat er nur noch wenig Rückhalt. Gerade Osterburg war am Sonntag eine Hochburg für den kommenden Landrat Puhlmann.