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Müll Biotonnen bleiben beim Vermieter

Behälter für Biomüll sollen im Landkreis Stendal den Grundstücken zugeordnet werden. Bislang zogen diese mit den Mietern um.

Von Donald Lyko 11.11.2020, 04:00

Stendal l Der Mieter ist mit unbekanntem Ziel weggezogen, die Rechnung bei der ALS noch nicht bezahlt. Oder die Rechnung wird einfach nicht beglichen, Mahnverfahren müssen angeschoben werden, wenn überhaupt etwas zu holen ist. Viele solcher Einzelfälle summieren sich zu einem ansehnlichen Betrag. 80.000 bis 100.000 Euro pro Jahr kommen so an offenen Forderungen zusammen, erklärte der ALS-Geschäftsführer Hendrik Galster im Kreisausschuss. Diese Summe zu reduzieren, ebenso die Kosten für die Vollstreckung, ist einer der Gründe, warum komplett auf eine Eigentümerveranlagung umgestellt werden soll.

Für die Bioabfall-Entsorgung soll sie schon ab Jahresbeginn komplett gelten, denn die direkte Bezahlung der Biotonne wird mit der neuen Abfallentsorgungssatzung erstmals eingeführt. Für die Umstellung der Gebühren für den Restmüll soll auf Antrag eine Übergangspflicht bis Ende 2021 möglich sein, wenn der Kreistag das morgen so beschließt. Spätestens ab 2022 würde dann komplett eine Eigentümerveranlagung gelten.

Von der Einführung der Eigentümerveranlagung versprechen sich die Autoren der neuen Satzungen weitere Vorteile:

• Der Abzug und Transport von Abfallbehältern beim Umzug von Privathaushalten entfällt, weil die Tonnen ans Grundstück und nicht mehr an Personen gebunden sind. Es entfallen Kosten, die Tauschvorgänge verringern sich.

• Der Eigentümer kann selbst entscheiden, welche Behälter er für sein Grundstück und seine Mieter haben möchte. Es wird eine verstärkte gemeinschaftliche Nutzung von Abfallbehältern möglich. Wenn größere Behälter verwendet werden, können Sammelkosten reduziert werden.

• Die Zahl der Vertragspartner wird reduziert und damit die Zahl der Veranlagungsvorgänge – und damit der Verwaltungsaufwand.

Diese Ausführungen im Kreisausschuss ließen Katrin Kunert, Vorsitzende der Linke-Fraktion im Kreistag, aufhorchen. Denn das Argument, dass sich der Verwaltungsaufwand reduziert und damit Kosten eingespart werden, konnte sie der Kalkulation nicht entnehmen. Die ALS-Verwaltungskosten liegen für dieses Jahr bei gut zwei Millionen Euro, für die nächsten zwei Jahre jeweils aber auch. Kunert: „Ich bin nach wie vor überzeugt, dass in der Satzung noch viel Luft ist.“ Was jetzt vorliege, sei nicht in allen Punkten nachvollziehbar, „da sind noch Einsparpotenziale drin“. Wenn der Verwaltungsaufwand sinkt, wie angenommen, müsse sich das in reduzierten Posten dafür in der Kalkulation darstellen, sagte die Fraktionsvorsitzende.

„Wir müssen mit der Kalkulation dafür sorgen, dass dem Landkreis und der ALS Geld für ihre Arbeit zur Verfügung steht“, erklärte Heie Erchinger, einer der Geschäftsführer des Berliner Beratungsbüros Gavia, das den Landkreis bei der Erarbeitung der Satzungen begleitet. Sollte es später einen Überschuss geben, müsse der über die Gebühren zurückgegeben werden.

Unter der Überschrift „Stop! Mieter und Eigenheimbesitzer müssen gleichbehandelt werden!“ übt der Arbeitskreis der altmärkischen Wohnungsgenossenschaften Kritik an den Satzungsentwürfen: Das neue Modell stelle keine Gebührengerechtigkeit unter Mietern dar, weil es keine verbrauchsgerechte Abrechnung mehr geben soll.

In ihrem Schreiben sprechen die ostaltmärkischen Großvermieter von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“, die mit den neuen Regelungen geschaffen werde. Es könne nicht sein, dass ein müllsparender Mieter den umfangreicheren Abfall der Nachbarn mit bezahlen muss.

Nach Ansicht des Arbeitskreises müsste die Direktabrechnung mit dem Mieter nicht aus der Satzung gestrichen werden. „Bestenfalls bleibt es bei der Wahlmöglichkeit zur Direktabrechnung und damit der Gleichbehandlung aller Haushalte, egal ob Eigenheimbesitzer oder Mieter“, heißt es in der Stellungnahme. Bei der Direktabrechnung komme es darauf an, Müllerfassungssysteme zu nutzen, die ständig weiterentwickelt werden. „Jedoch ist dies nicht beim Landkreis Stendal vorgesehen“, kritisieren die Wohnungsgenossenschaften. Im Schreiben heißt es dazu: „Wenn die vorhandenen Müllschleusen ab dem 1. Januar 2021 aussagegemäß nicht mehr das Müllaufkommen der Mieter messen können, zeigt dies eindeutig, in welche rückwärtsgewandte Richtung sich der Landkreis im Bereich Abfall entwickeln könnte.“

Mit ihren Forderungen wenden sich die Wohnungsgenossenschaften „an jeden Mieter, Vermieter und Vertreter der Wohnungswirtschaft im Landkreis Stendal“, um sie alle dazu zu animieren, „die Satzungsentwürfe mit all deren Konsequenzen zu hinterfragen“.

Von den Kreistagsmitgliedern wünschen sie sich, dass diese „sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen, bis eine gute und sachgerechte Lösung herbeigeführt ist“.