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Protestaktion Unmut wächst: 550 protestieren für Fähre

Gestern Mittag versammelten sich 550 Menschen zum Protest für den Erhalt der Fähre Ferchland-Grieben. Trotz vieler Ideen drängt die Zeit.

Von Birgit Schulze 22.06.2020, 01:01

Grieben/Ferchland l So viele Menschen auf einem Haufen sind in der Altmark eher selten zu sehen: Als zwei Familien aus Nürnberg und Freiburg gestern Mittag auf Griebener Seite an der Fähre ankommen und rund 250 Protestanten vor sich haben, sind sie ziemlich überrascht: „Ich dachte schon, die wollen alle auf die Fähre und wir müssten uns anstellen“, sagt Margot Vorberger. Zusammen mit Ehemann Wolfgang und mit Irene und Peter Paust aus Nürnberg ist die Freibergerin derzeit auf dem Elberadweg unterwegs. Den Griebenern und ihren Gleichgesinnten auf der anderen Elbseite wünschten sie viel Erfolg beim Kampf um ihre Fähre.

Kämpfen will auch der kleine Phillip aus Jerchel: „Ich bin so wütend, ich hab sogar ein Schild dabei. Pro Fähre!!!“ steht auf seiner Papptafel und die spiegelt die Stimmung vieler vor Ort wider. Schilder hatten diesmal viele Protestanten dabei, so auch Friedrich und Karin Willmer aus Grieben. „Wir sind Rentner und gerne mit dem Rad drüben unterwegs.

Rotraud Buch aus Tangerhütte sagte: „Wir können uns doch nicht alles wegnehmen lassen. Wenn es Gesetze gibt, die den Erhalt der Fähre schwierig machen, dann müssen die geändert werden!“ Davon, dass sich an der problematischen Situation der Fähre etwas ändern soll, hat man auf Griebener Seite bisher wenig gehört „gefühlt tut sich nichts, außer dass sich die Leute jetzt damit befassen“, findet Kathrin Ihloff aus Grieben.

Dafür, dass sich etwas tun muss, sprachen sich auf der gegenüberliegenden Seite im Rahmen einer angemeldeten Kundgebung einige Vertreter der Bürgerinitiative zum Erhalt der Fähre aus. Aber auch Kreistagsmitglied Lutz Nitz (Bündnis 90 / Die Grünen) fand klare Worte in Bezug auf den erklärten Willen zum Erhalt der Fähre: „Welches Gewicht hat denn das Wort unsere Vertreter? Zu allererst muss sich der Gemeinderat Elbe-Parey mit der Fähre befassen und nicht Frau Golz. Sie muss den Beschlüssen folgen!“ Elbe-Pareys Bürgermeisterin Nicole Golz soll bereits vom Verkauf der Fähre gesprochen und Demonstrationen für überflüssig erklärt haben, das sorgte für Gesprächsstoff vor Ort. Aber auch die Tatsache, dass der Stilllegungsbeschluss für die Fähre im schriftlichen Umlaufverfahren während der Coronazeit gefasst wurde, sorgte für Kritik.

Griebens Ortsbürgermeisterin Rita Platte sprach vor den rund 300 Teilnehmern auf Ferchländer Seite auch davon, dass dieser Beschluss aufgrund seiner Tragweite durch die Kommunalaufsicht beanstandet hätte werden müssen und sie sagte noch etwas: „Der Gemeinderat in Elbe-Parey folgt aus meiner Sicht viel zu brav! Es hat nie einen formalen Antrag an Tangerhütte oder den Landkreis Stendal auf gemeinsames Betreiben der Fähre gegeben!“ Darüber hinaus sei der TÜV für die Fähre von Gesetzeswegen durch die Coronakrise verlängert worden, kein Grund also, sofort stillzulegen. Und noch etwas sagte sie: „Alles was nördlich von Magdeburg ist, ist so dünn besiedelt, dass wir im Land gar nicht zählen“. Dafür bekam sie vielfachen Applaus.

Dass Menschen sich von der Politik allein gelassen fühlen, wurde auch deutlich, als ein Moderator nach anwesenden Bundes-, Landtags- und Kreistagsabgeordneten fragte. Marcus Faber (Bundestagsmitglied der FDP), Ulrich Siegmund (Landtgsmitglied der AfD) und Lutz Nitz (Kreistagsmitglied der Grünen) gaben sich in der Menge zu erkennen. Auf Griebener Seite war auch Edda Ahrberg mit dabei sowie einzelne Stadtratsmitlieder. Für viele war das angesichts der Thematik zu wenig.

Eine Kundgebung mit Reden gab es auf Griebener Seite nicht, dafür aber rund 250 Menschen, die ihrer Forderung nach dem Erhalt der Fähre Ausdruck verleihen wollten. Manch einer kritisierte, dass es auf Griebener Seite nicht dieselbe organisierte Form der Kundgebung mit Ansprachen gegeben hatte, andere fuhren einfach mit auf die andere Seite.

Für den Erhalt der Fähre wird derzeit auf vielen Ebenen miteinander geredet. In der Vorwoche hatte es auf Initiative der beiden Grünen-Kreistagspolitiker Edda Ahrberg (Stendal) und Lutz Nitz (Jerichower Land) einen ersten elbübergreifenden Runden Tisch gegeben, an dem Vertreter der Gemeinde- und Stadträte, der Kreistage und einer Bürgerinitiative für den Erhalt der Fähre sowie Grünen-Landtagsmitglied Dorothea Frederking teilnahmen.

Dabei ging es zunächst um einen Austausch und die Bekräftigung, dass beide Seiten am Erhalt der Fähre interessiert seien. Einig war man sich auch darin, dass die Zeit dränge und eine Zwischenlösung das Aussetzen des Gemeinderatsbeschlusses zur Stilllegung wäre.

Andernfalls wird der Fährbetrieb in einer guten Woche eingestellt. Wichtig sei aber auch ein schnelles Bekenntnis der Landkreise und der beiden Anliegergemeinden zur gemeinschaftlichen Finanzierung der Fähre. Der Gemeinderat Elbe-Parey tagt in dieser Woche, auf der Tagesordnung steht das Thema Fähre selbst nicht – aber die Abstimmung über die Niederschrift des Stilllegungsbeschlusses. Aus Sicht der Grünen, aber auch anderer Parteien müsste unbedingt eine Gesetzesänderung her, wie sie der Stendaler Kreistag mit seiner Resolution ans Land fordert. Erst wenn Fähren wie ein Teil der Straße behandelt würden, wären die Landkreise automatisch in der Pflicht, sagt Edda Ahrberg.

Im Tangerhütter Stadtrat in der Vorwoche hakte Stadtrat Dietrich Schultz (fraktionslos), der damals noch als Mitglied der AfD-Fraktion den Antrag aus einen Betriebskostenzuschuss zur Fähre eingebracht hatte, beim Bürgermeister nach: „Sind die 7000 Euro schon überwiesen? Es wäre von außerordentlicher Bedeutung, ein Zeichen zu setzen, dass unsererseits ein Interesse an der Fortführung der Fährverbindung besteht. Ich fordere Sie nochmal auf, diese Mittel auszuzahlen!“

Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) antwortete: „Ich sehe haushaltsrechtliche Schwierigkeiten, Geld für eine Fähre zu überweisen, die ab Juli keine Zulassung mehr hat.“ Doch Schultz erinnerte ihn: „Das ist Beschlusslage!“ Im Februar hatte der Stadtrat in Tangerhütte einen jährlichen Betriebskostenzuschuss zur Fähre von jeweils 7000 Euro für die nächsten drei Jahre beschlossen.

„Dass die Fähre ab Juli keine Fahrberechtigung mehr hat, stimmt so nicht, der TÜV ist durch Corona verlängerbar“, warf Rita Platte auch im Stadtrat ein.