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Restauriert Gildeschrank - die Türen bleiben zu

Der stark verwitterte Gildeschrank von St. Marien in Stendal ist dank Spenden gerettet worden. Die Restauratorin berichtete.

Von Nora Knappe 08.02.2019, 00:01

Stendal l Schimmel, Fraßspuren, verzogenes Holz, verrosteter Riegel... Zu Hause hätte man so einen Schrank wohl entsorgt. Doch beim Gildeschrank der Stendaler Stadt- und Ratskirche St. Marien ist es anders: Denn der ist nicht nur an sich ein historischer Schatz, sondern erzählt anhand bedeutsamer Malereien ein Stück Stendaler Handwerks- und Kaufmannsgeschichte. Auf neun Wappen haben sich Gildemeister verewigt.
Damit dieses Relikt nicht noch mehr vermodert, wurde es im vorigen Jahr in der Werkstatt von Kerstin Klein in Halle restauriert. Seit einigen Wochen nun ist das ungewöhnliche Möbelstück – das im Grunde nur aus zwei Türen besteht, die vor eine Mauernische montiert wurden – wieder in St. Marien zurück.
Bei der Präsentation des restaurierten Schrankes am Mittwoch vor einer Schar wissbegieriger Einwohner wurde er auch geöffnet. Zu sehen gab es da dann: nichts. Während darin vor der Reformation liturgische Gewänder und Gegenstände aufbewahrt wurden sowie später die Gildebücher und wichtige Dokumente der Zünfte, hat der Schrank schon lange keine praktische Funktion mehr. Er ist und bleibt leer.
Künftig sollen seine Türen denn auch zubleiben. Sonst würde der Eisenriegel mit jedem Öffnen die Oberfläche weiter schädigen. Die Schabspuren sind auch nach der Behandlung noch sichtbar – ein Zeichen dafür, dass behutsam restauriert wurde. „Die Farbschichten wurden gereinigt und gefestigt und dem jetzigen Bild angenähert“, beschreibt Kerstin Klein ihr gemeinsames Vorgehen mit der Gemälderestauratorin Gabriele Georgi, die sich dabei eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege abstimmten.
Die Schwierigkeit bestand vor allem im unterschiedlichen Zustand der Malereien: „Oben waren sie sehr gut erhalten, unten war zum Teil fast nichts.“ Das Ganze so elegant zu bearbeiten, dass der Unterschied am Ende nicht noch augenfälliger wäre, war die Herausforderung. Auch das stark vom Hausschwamm befallene Holz (übrigens rund 200 Jahre älter als die Malereien) mussten die Restauratorinnen behandeln, einige morsche Stellen wurden verstärkt. Dabei stießen sie auch auf ältere Farbschichten und Brandspuren.
„Wir haben im Prinzip konserviert und retuschiert, aber eher unsichtbar“, sagt Kerstin Klein, die vor allem von den Ausmaßen der über drei Meter hohen Türen beeindruckt war – und ebenso von der Zuarbeit aus Stendal. Denn während der Abwesenheit der Schranktüren wurde nicht nur das bröselige Nischenmauerwerk erneuert, sondern begaben sich Simone Habendorf und Ina Nitzsche vom Stadtarchiv auf die historische Spur der Gilden und in den Wappen verewigten Personen. So konnte man schließlich die Bemalung des Gildeschrankes exakt auf 1613/1614 bestimmen. „Angesichts der Urkundenlage ist es schon eine Sensation, dass wir es so genau datieren konnten“, freute sich Bärbel Hornemann als Vorsitzende des Fördervereins Glocken St. Marien. Über den Verein waren seit 2017 Spenden für die rund 7200 Euro kostende Restaurierung gesammelt worden.
Wer sich den Gildeschrank zeigen und erläutern lassen möchte, hat dazu jedoch erst Ostern Gelegenheit. Dann gibt es zwei Führungen.