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Sanierungsstau Tangermünde bröckelt

Es ist nicht lange her, da wurde Tangermünde zur schönsten Kleinstadt Deutschlands gewählt. Es ist aber nicht alles Gold, was glänzt.

Von Anke Hoffmeister 18.06.2019, 01:11

Tangermünde l „Die Stadt weiß Bescheid. Nicht nur einmal haben wir darüber informiert, wie unsere Fassade aussieht“, sagt Karsten Eggert, Vorsitzender des Tangermünder Ruderclubs (TRC). Das nach dem Hochwasser 2002 neu errichtete Bootshaus verliert seine Klinkerfassade, hat große Setzungsrisse – aber niemand kümmert sich darum. Je länger mit der Reparatur gezögert wird, desto teurer wird das Ganze. Karsten Eggert kennt die Summe, die jetzt bereits in die Hand genommen werden müsste.

Im Haushalt der Stadt Tangermünde stehen für 2019 1,3 Million Euro für den Bereich der baulichen Unterhaltung. Über den würde all das in Angriff genommen werden müssen, was hier in Fotos festgehalten und auch nicht festgehalten wurde. 1,3 Millionen klingt viel. Doch 2019 werden davon auch der Grete-Minde-Saal saniert, die Schleusenbrücke vollendet, bekommt die Friedhofskapelle einen barrierefreien Zugang, wird der Schmuckgiebel des historischen Rathauses saniert und das Neustädter Tor aufgefrischt. Da bleibt nicht viel Geld übrig, um all das in Angriff zu nehmen, was in der Stadt Tangermünde ganz offensichtlich nach „Hilfe“ schreit.

Während beispielsweise an einem Ende der Stadt die Stadtmauer neu errichtet oder saniert wird, wächst am Hafen dick und breit der Efeu drüber, ist die Burgmauer rund um Burgberg und Schlosshotel mit Unkraut überwuchert, fehlen Steine zur Mauerabdeckung, sind Fugen ausgewaschen oder das Material herausgefallen.

Sogar der sanierte Bau in der Notpforte – die frühere Wäscherei oder auch E-Werk genannt – weist Risse im Sockelbereich auf, die bei weiterem Nichthandeln den Sockel komplett vom Putz befreien werden.

Im Jahre 2014 und den folgenden war es, als die Stadträte, die jetzt zum Teil wiedergewählt wurden, laut erklärten: „Die Stadt spart sich kaputt.“ Das Gegenargument des ehemaligen Bürgermeister Rudolf Opitz lautete: „Wir sparen uns nicht kaputt, sondern wir geben nur das Geld aus, was wir tatsächlich haben.“ Und mit Blick auf den Haushalt hatte er erklärt, dass die Verwaltung bereits mit dem ersten Entwurf zeigen würde, wie es möglich sei, ihn ausgeglichen gestalten zu können. „Lassen Sie uns die Konsolidierung also vorher machen“, sagte Opitz vor fünf Jahren. Heute, fünf Jahre später, freut sich die Verwaltung über eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1,90 Euro. Zu Beginn des Jahres hatte die Stadt noch einen Kredit von 19 000 Euro.

Dafür schaut sie über die vielen, inzwischen für jeden sichtbaren Mängel an der baulichen Substanz hinweg, lässt Hinweise, die die Ratsmitglieder in Ausschusssitzungen und auch in Ratssitzungen anbringen, meist unbeachtet. So wird aus der schönsten Kleinstadt zumindest die ohne Schulden.