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Rathaus Stendal Es gibt keinen neuen Fahrstuhl

Der langsame Fahrstuhl im Stendaler Rathaus soll nun doch nicht ausgetauscht werden. Das Thema sorgt im Internet bereits für Belustigung.

Von Thomas Pusch 01.11.2017, 06:00

Stendal l Es war so etwas wie ein großer Moment, als der Fahrstuhl im Rathaus sich offiziell erstmals in Bewegung setzte. Die beiden ältesten Stadtratsmitglieder Klaus-Jürgen Mörs (73, CDU) und sein FDP-Stadtratskollege Günter Unnau (70) durften die Jungfernfahrt am 7. September 2009 mitmachen. Schon zu jenem Zeitpunkt musste ein Knopf so lange gedrückt gehalten werden, bis die gewünschte Etage erreicht war. Die technische Einfachheit brachte der Stadt einen Preisvorteil. Das Modell kostete rund 185.000 Euro, eine ausgefeiltere Variante wäre laut Planern etwa 40.000 Euro teurer gewesen. Vorsitzender Dirk Hofer (CDU) sagte im Oktober 2008 im Stadtentwicklungsausschuss: „Dieser Unterschied spricht für die günstigere Variante.“

Im März dieses Jahres war der Rathausfahrstuhl wieder Thema im Stadtentwicklungsausschuss. Und Hofer klang diesmal ganz anders. „Da zieht es mir die Schuhe aus“, sagte er und bemängelte die nicht vorausschauende Planung des Hochbauamtes. In der Ausschusssitzung war nämlich die Anschaffung eines neuen Fahrstuhls thematisiert worden. Die Bedienung habe sich als nicht zweckmäßig erwiesen, da nur in Begleitung von Rathauspersonal damit gefahren werden könne. Kostenpunkt der Neuanschaffung: 200.000 Euro. Seinerzeit habe man kritisch nachgefragt, ob der Aufzug ausreichend sei, meinte Hofer kopfschüttelnd.

Das Thema wurde in zahlreichen Fernsehbeiträgen mit satirischem Zungenschlag aufgegriffen. „Wenn die in der Stadtverwaltung so langsam arbeiten, wie der Fahrstuhl fährt“, hatten schmunzelnd schon Stendal-Besucher in einem Video auf You Tube bemerkt. In der Tat ist der Fahrstuhl nur mit 15 Zentimetern pro Sekunde unterwegs, das entspricht etwa einem halben Stundenkilometer. Der Fahrstuhl im Berliner Fernsehturm schafft in der selben Zeit sechs Meter, der Lift auf das Empire State Building in New York City schafft sogar noch einen Meter mehr. Immerhin gilt für Wohnhäuser eine Richtgeschwindigkeit von einem bis eineinhalb Metern pro Sekunde.

Das ZDF nannte den Fahrstuhl in seinem Beitrag „Hammer der Woche“, aber Georg-Wilhelm Westrum, Leiter des Amtes für Stadtumbau und Sanierung, verstand die ganze Aufregung nicht. Es sei eben eine hektische Zeit, alles solle schnell erledigt werden. Dass eine Fahrt mit dem Fahrstuhl, die eine oder eineinhalb Minuten dauert, als zu lang empfunden wird, „kann ich nicht nachvollziehen“.

Weiterer Punkt für Spott: Der Fahrstuhl kann nicht allein genutzt werden, es muss immer ein Mitarbeiter der Verwaltung mitfahren. Zwischen Plattform und Außenwand sind ein paar Zentimeter Luft, Gefahr, sich die Finger zu quetschen. Sieben Mitarbeiter der Verwaltung sind als Begleitpersonen geschult, spöttisch werden sie „Liftboys“ genannt.

In der Stadtverwaltung reifte schließlich die Idee, den alten Fahrstuhl aus- und einen neuen einzubauen. Kostenpunkt eben besagte 200.000 Euro. Das rief nun auch den Bund der Steuerzahler auf den Plan. „Das spricht für Planungslosigkeit und Gedankenlosigkeit“, meinte Ralf Seibicke, Vorstandsmitglied im Landesverband Sachsen-Anhalt.

Die Stadt hat sich schon mehrere Einträge im Schwarzbuch eingehandelt. Darin zählt der Bund der Steuerzahler jedes Jahr ganz besonders krasse Fälle von Steuerverschwendung auf. Stendal war unter anderem mit dem Gewerbegebiet Bindfelde und dem Erteilen von Bescheiden für Bagatellbeträge zu der fragwürdigen Ehre gekommen.

Die wird ihr in Sachen Fahrstuhl wohl erspart bleiben. Denn auf Nachfrage der Volksstimme hieß es von Stadtsprecher Klaus Ortmann: „Inzwischen ist nach weiteren Erörterungen und Variantenprüfungen für die Optimierung der Bedienbarkeit durch vorhandene Personalresourcen, eine Entscheidung für den Weiterbetrieb des Lifts in der jetzigen technischen Ausführung getroffen, so dass keine finanziellen Mittel über die Instandhaltung hinaus in die Anlage investiert werden.“

Kurz gefasst: Es gibt keinen neuen Fahrstuhl, es bleibt bei der geringen Geschwindigkeit und dem vorgeschriebenen Begleitservice durch Verwaltungsmitarbeiter. Allerdings bleiben dem Steuerzahler auch die 200.000 Euro erspart und zwar laut Rathaus „solange das Gerät funktioniert“.