Waldbad Tausendundeine Nacht

Für die einen sind sie die Orientalen, für andere einfach Spieler oder Märchenerzähler. Am Wochenende waren sie wieder in Wischer.

Von Volker Langner 06.09.2016, 01:01

Wischer l Rund 250 Frauen und Männer aus vielen Teilen Deutschlands sowie aus Belgien, Dänemark, Österreich und der Schweiz schlugen im Strandbereich des Waldbades Wischer ihre Zelte auf und lebten vom Donnerstag bis zum späten Sonnabend im Orient des Mittelalters – in Rollen, die sich erst während des Spiels entwickeln und so das Ende des Geschehens nicht hundertprozentig vorhersagbar machen, und in aufwendig gestalteten Kostümen. Sie schaffen sich als Händler, Bettler, Karawanenführer, Soldaten oder Dattelbauern ihre eigenen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.

Seit 2013 verwandeln die Anhänger des alten Orients und seiner Märchen das Waldbad in die Oasen-Stadt Al-Bahra, das quirlige Zentrum im Land des ewigen Sandes. Standen beim Rollenspiel im Vorjahr die blutige Herrschaft eines Kalifen und der Aufstand des Volkes im Mittelpunkt, so gab es diesmal einen mystischen Krimi: Eine Hexe begeht einen Mord an einem Bauernmädchen, Intrigen werden geschmiedet – alles natürlich orientalisch verpackt. Zu den Zutaten zählen unter anderem ein fliegender Teppich, ein Dschinn – ein Geist aus der Flasche –, Kamele, eine Schlange, Falken, die als Boten unterwegs sind.

„Wir spielen Märchen. Das ist keinesfalls eine historische Dokumentation“, erzählt ein Mitglied des 15-köpfigen Organisationsteams. Die 30-Jährige hebt aber hervor: „Wir haben allerdings den Anspruch, uns in historisch korrekten Kostümen zu kleiden. Synthetikstoffe werden nicht verarbeitet.“

Zur vollkommenen Illusion tragen auch künstliche Palmen bei, die sich am Ufer des Sees im Winde wiegen, ein kleiner Apfelsinenbaum – ebenfalls künstlich, aber mit darunter platzierten echten Früchten zum Zugreifen –, Kamele. „Ich finde, es ist ein kreatives Hobby, bei dem wir aus der eigenen Person schlüpfen und gemeinsam schöne Erlebnisse haben“, beschreibt die Organisatorin die Faszinationen des Rollenspiels. Die Frau, die im wahren Leben als Ärztin tätig ist, nennt einen weiteren Grund: „Es ist toll, sich Geschichten auszudenken und dann mitzuerleben, wie sie lebendig werden.“ Und letztlich sei für sie auch inspirierend, dass „man nicht gegeneinander spielt“.

Ein Argument, das häufiger zu hören ist. So in einer orientalischen Frühstücksrunde mit Fladenbrot, Tee und Obst. „Die Charaktere sind so angelegt, dass den Mitspielern ein schönes Angebot unterbreitet wird. Gefällt den anderen das Spiel, so ist das meine Belohnung“, erklärt eine Frau aus dieser Runde.

Kopfnicken erntet sie, als sie sagt: „Unser Spiel ist ein Urlaub vom Alltag.“