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Unfall-Prozess Auto landet im Wohnzimmer

Wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung wurde ein 26-Jähriger vom Stendaler Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 08.04.2017, 00:00

Stendal l Juristische Aufarbeitung eines Verkehrsunfalls mit fast 22.000 Euro Sachschaden: Am 27. November vorigen Jahres kracht um 0.20 Uhr ein VW Golf in der Stendaler Knochenstraße direkt ins Wohnzimmer, nachdem das Auto zuvor in einer fast rechtwinkligen Kurve geradeaus und voller Wucht über Bordstein und Vorgarten in die Hausfassade gedonnert ist.

Die Bewohnerin des kleinen Häuschens in der Straße mit nur zwei Grundstücken kommt mit dem Schrecken davon. Auch der Fahrer bleibt laut Polizeimeldung „wie durch ein Wunder“ unverletzt. Die Beamten messen bei ihm einen Atemalkoholwert von 2,8 Promille. Eine wenig später durchgeführte Blutentnahme ergibt immerhin einen Blutalkoholwert von fast 2,2 Promille.

„Glück gehabt, die Frau saß nicht da, wo sie sonst saß, sonst würden wir hier nicht nur über Sachschaden verhandeln“, sagte Richter Rainer Mählenhoff beim Prozess am Stendaler Amtsgericht zu dem Angeklagten. Der 26-jährige gebürtige Osterburger hört mit gesenktem Kopf das Urteil: „60 Tagessätze à 25 Euro wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung.“

1500 Euro muss der bis dato nicht Vorbestrafte, der auch noch keinen Eintrag im Verkehrsregister hat, also zahlen. Dazu kommt die gesetzlich vorgeschriebene sogenannte Nebenstrafe: Entzug der Fahrerlaubnis – ein Jahr für Ersttäter. Erst danach darf die Führerscheinstelle ihm eine neue Fahrerlaubnis ausstellen. „Sie waren ja zu wie ein Eimer – einen Sachschaden in solcher Höhe hatte ich bislang noch nicht. Die Unfallfotos haben mich sprachlos gemacht“, redet der Richter dem Trunkenheitsfahrer ins Gewissen. 21.518,01 Euro kostete es, das Haus wieder voll bewohnbar zu machen. Wobei zunächst die Stabilität der tragenden Wände infrage stand.

Nach Angaben der Verteidigerin hat die Bewohnerin ihr Trauma inzwischen mit psychologischer Hilfe aufgearbeitet. Die Gründe für die Fahrt, die laut Anklage von Osterburg nach Stendal führte, blieben unerwähnt.

Eigentlich wäre es gar nicht zum Prozess gekommen. Denn das Gericht hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl über 1000 Euro erlassen. Dagegen hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt, nicht gegen die Geldstrafe, die nunmehr sogar höher ist, sondern gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. Er benötige die Führerscheinklassen L und T unbedingt für landwirtschaftliche Fahrzeuge, weil er sonst den Job verliere.

Er sei ein sehr guter Mitarbeiter, aber ohne Fahrerlaubnis müsse er ihn entlassen, setzte sich sein Arbeitgeber vor Gericht für den 26-Jährigen ein. Mit Erfolg. Das Gericht gewährte die Ausnahme. „Wenn Sie privat mit dem Trecker erwischt werden, sind Sie den Lappen los.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Staatsanwalt keinen Rechtsmittelverzicht erklärte.