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Urteil Dieb trinkt sich die Welt schön

Ein 50 Jahre alter Stendaler stand wegen mehrfachen Diebstals mit geringem Wert vor Gericht.

Von Wolfgang Biermann 14.05.2019, 23:01

Stendal l Einen gewissen Unterhaltungswert hatte ein Prozess am Amtsgericht, bei dem es um Diebstahl geringwertiger Güter ging – in zwei Fällen um jeweils zwei Flaschen Schnaps und einmal um eine Boxershorts im Wert von neun Euro.

Dessen angeklagt war ein vielfach vorbestrafter 50 Jahre alter Stendaler, der nach eigenen Angaben zeitweise obdachlos war und nun im Nachbarkreis Jerichower Land lebt. Am Ende wurde er zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je zehn Euro (600 Euro) verurteilt. Die ihm zur Last gelegten Diebstähle in Stendaler Einkaufsmärkten liegen schon eine Weile zurück.

So soll er im August 2016 sowie im März und April 2017 Sachen eingesteckt, aber nicht bezahlt haben. Dass der Prozess erst jetzt stattfand, war dem Umstand geschuldet, dass der Angeklagte nicht auffindbar war und ihm die Anklagen nicht zugestellt werden konnten.

So war er einige Zeit in der JVA Halle, um dort eine dreimonatige Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte. Der 50-Jährige wirkte trotz fehlenden Schulabschlusses nicht unintelligent und gab sich redegewandt.

Für jeden der von ihm eingestandenen Ladendiebstähle hatte er eine (für ihn) plausible Erklärung. So gab er an, infolge einer fehlender Wohnung hätte er sein ganzes Hab und Gut in Schließfächern am Stendaler Bahnhof eingeschlossen gehabt.

Was er angeblich nicht wusste: Nach 72 Stunden werden die Schließfächer aus Sicherheitsgründen geöffnet und zwangsentleert. Die Schlösser werden ausgetauscht.

So hätte er wohl Schlüssel besessen, die hätten aber nicht mehr gepasst, als er später seine Sachen aus den Schließfächern holen wollte. Geld hätte er auch keines besessen, um seine Sachen auszulösen, die zwischenzeitlich nach Magdeburg gebracht worden seien.

Und weil er nicht mal mehr Unterwäsche besaß, hätte er in einem Einkaufsmarkt eben die Boxershorts mitgehen lassen. Im Stendaler Obdachlosenheim sei er zudem von Mitbewohnern bestohlen worden, gab er weiter an: „Krankenkassenkarte, EC-Karte, Handy – alles weg.“

Da sei er in Läden gegangen und hätte Schnaps geklaut. „Ich wollte vergessen“, gab er als Motivation an. „Wenn ich trinke, ist die Welt schön.“ Auf Frage von Richter Thomas Schulz räumte der gelernte Zootechniker ein, Alkoholiker zu sein. Wohl hätte er vor Jahren eine Entzugstherapie gemacht, die Finger ganz vom Alkohol lassen könne er aber nicht.

Mit dem Ausspruch der 600 Euro-Geldstrafe folgte das Gericht der Staatsanwaltschaft. „Die Geldstrafe können Sie auch abarbeiten“, sagte Richter Schulz. Das Urteil nahm der 50-Jährige sofort an: „Ich habe Mist gebaut, dafür muss ich auch geradestehen.“