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Wahlskandal Was wusste Güssau über "Holgers Listen"?

Hardy Güssau betont, beim Wahlskandal weder „getrickst noch gefälscht“ zu haben. Doch die „Gegenaufklärung“ der CDU bietet Angriffsflächen.

29.05.2017, 23:01

Stendal l Die Stendaler CDU geht derzeit mit einer Dokumentensammlung zur Wahlfälschung auf ihrer Internetseite www.cdu-stendal.de in die Offensive. Insbesondere Stendals CDU-Landtagsabgeordneter Hardy Peter Güssau will dort seine Rolle klarstellen.

So ist auf der Internetseite die Einstweilige Verfügung gegen die in Halle erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“ (MZ) veröffentlicht, die Güssau vor dem Kölner Landgericht erwirkt hat. Danach darf die Zeitung nicht mehr die Überschrift „Güssaus geheimnisvolle Listen“ verbreiten.

Nicht nur das: Erstmals in den ganzen Auseinandersetzungen kündigten Güssaus Anwälte sogar „Ansprüche auf Geldentschädigung“ an.

Doch die Listen, die Holger Gebhardt für die Briefwahl zur Kommunalwahl 2014 angelegt haben soll, gehören zu den noch ungeklärten Fällen in dieser Affäre.

Die CDU dokumentiert, dass die Richter ihren Beschluss auf der Grundlage einer eidesstattlichen Versicherung Güssaus erließen.In dieser bezeichnet er seine damaligen Angaben in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung in 2015, „dass mir auch die angeblichen Listen, mit denen Herr Gebhardt Daten für die Briefwahl gesammelt haben soll, nicht bekannt sind und ich derartige Listen nie gesehen habe", als weiterhin zutreffend.

Güssaus klare Kante in dieser Frage dürfte zum einstweiligen Erfolg vor Gericht beigetragen haben. Der Volksstimme liegen indes Informationen aus der Ermittlungsakte im Strafverfahren gegen Holger Gebhardt vor. Demnach hat Hardy Güssau am Mittag des 21. Juni 2014 den damaligen CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel in einer elektronischen Nachricht gefragt, „kennst Du die Namen von den Leuten“, die wählen gehen wollten, eventuell sind „die nicht von Holgers Listen“.

Die Volksstimme fragte bei dem Abgeordneten noch einmal nach, was er über „Holgers Listen“ wisse. Seine Antwort: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt ,Listen‘ von Herrn Gebhardt bekommen oder (auch über Dritte) entgegen genommen. Ich habe keine Kenntnis von irgendwelchen Listen und kann deshalb auch nichts über ihren Inhalt oder Zweck sagen.“

In seiner WhatsApp-Nachricht an Kühnel, meinte er "vielmehr einen Personenkreis, den Holger Gebhardt fest im Visier hatte, der ihn bei seiner Kandidatur für den Stadtrat unterstützen wollte". Mit dem Wort "Liste" habe er keine "physische Liste" im Sinne eines Ausdrucks, eines Dokuments oder Materials gemeint. 

Es dürfte für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags eine spannende Lektüre werden, wenn dessen Mitglieder die 2900 Seiten umfassenden Gerichtsakten auswerten.

Hardy Peter Güssau zählte in dem umfangreichen Strafverfahren nicht zu den zeitweise mehr als 15 Personen, gegen die ermittelt wurde. Staatsanwaltin Annekathrin Kelm bemerkte jedoch in ihrem Schlussplädoyer im März vor dem Landgericht: „Der Name Güssau geistert immer wieder durch die Akten.“

So verwies die Volksstimme im Februar darauf, dass Güssau den Unterlagen zufolge vereinzelt so etwas wie ein Türöffner für Gebhardts Aktivitäten gewesen ist. Demnach bat er für die Kommunalwahl 2009 eine Bekannte um Unterstützung. Holger Gebhardt habe ihr dann eine Liste vorbeigebracht, auf der sich Jugendliche eintragen sollten, die damit Briefwahlunterlagen beantragen würden, erinnerte diese sich gegenüber der Polizei. Güssau gab den Beamten aber zu Protokoll, dass sich dieser Vorgang „seiner Kenntnis entzieht“.

Auf einer Liste stehen jedoch Hardy Peter Güssau und sein Vater: Sie sind von der Staatsanwaltschaft bei den 20 Personen aufgeführt worden, die für die Kommunalwahl im Mai 2014 ihre Wahlbenachrichtigungskarten mit Vollmacht an Holger Gebhardt übergaben – aber dann nicht selbst gewählt haben.