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Gericht War Zwangsehe geplant?

Mit einer geplanten Zwangsehe befasst sich das Stendaler Amtsgericht derzeit.

Von Wolfgang Biermann 07.09.2017, 19:00

Stendal l Ein Stendaler mit irakischen Wurzeln ist angeklagt, seine minderjährige Tochter genötigt zu haben, ihren in Finnland lebenden Cousin zu heiraten. Wobei es letztlich nicht zur Hochzeit kam und deshalb nur versuchte Zwangsheirat angeklagt ist. Aber auch die versuchte Zwangsheirat ist gemäß Strafgesetzbuch mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.

Laut Anklage, die seit der Vorwoche vor dem Stendaler Amtsgericht verhandelt wird, hat der 54-Jährige, der seit 1998 in Deutschland lebt und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, seine zur Tatzeit im Vorjahr noch 17 Jahre alte Tochter angewiesen, nur mit dem Kopftuch in die Schule zu gehen und jeden Kontakt mit gleichaltrigen Jungs zu meiden. Dazu soll er auch ihr Handy kontrolliert und die Teilnahme an einer Klassenfahrt untersagt haben, heißt es weiter in der Anklage.

Stattdessen musste das Mädchen nach Duisburg fahren. Sie sollte sich dort Kleidung kaufen, die dem Koran gerecht werde, was sie aber nicht tat. Das sagte die heute 19-Jährige als Zeugin als. Zudem soll der 54-Jährige seine Ehefrau, die mit ihren gemeinsamen fünf Kindern seit 2013 in Deutschland lebt, geschlagen und mit heißem Tee begossen haben.

Was aber viel schwerer wiegt und möglicherweise in einem späteren Prozess verhandelt wird: Die Tochter des Angeklagten sagte völlig unvermittelt aus, dass ihr Vater Anfang 2016 mit einem Finger ihre „Jungfräulichkeit überprüft“ hätte. Seinerzeit sei sie noch 17 gewesen. Wie der Staatsanwalt im Gespräch mit der Volksstimme im Anschluss an den Prozess sagte, werde seine Behörde Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gegen den Vater einleiten und gegebenenfalls Anklage erheben.

Zurück zum aktuellen Prozess vor dem Amtsgericht. Der Auftakt fand unter ungewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen statt. Es gab Leibesvisitationen vor dem Saal, und mehrere Justizbeamte befanden sich im Saal. Nach außen hin gab sich der Angeklagte offenbar weltoffen, doch in der Familie erwies er sich gemäß Anklage und dem Anhören der Tochter als Despot. So habe er ihr das Taschengeld gestrichen und der Ehefrau sowie den Kindern die Pässe abgenommen. Die Pässe wurden von der Polizei bei der Durchsuchung in einem Lagerraum seines Geschäftes gefunden.

Aus Angst vor einem Wohnungseinbruch hätte er sie dort verwahrt, so die Erklärung. Vor Gericht beteuert er seine Unschuld. Weder habe er versucht seine Tochter zwangszuverheiraten, noch habe er seine Ehefrau geschlagen. Und der Tee, den er ihr über den Körper schüttete, sei kalt gewesen.

Die Ehefrau, die inzwischen mit drei der Kinder in Sachsen lebt, und ein Sohn sollen im Fortsetzungstermin aussagen.