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Vor zehn Jahren gegründet, regelmäßig neue Alben, ausverkaufte Konzerte: Die Stendaler Band "Nobody Knows" ist erfolgreich "Wir wollen keinen Folk-Purismus betreiben"

11.06.2011, 04:34

Vor zehn Jahren hat sich in Stendal die Band "Nobody Knows" gegründet. Max Heckel, Maxx Heinrichs, Jule Seyer und Georg Marth haben seit vorigem Jahr Verstärkung durch Ronny Heckel und Thor Klein. Volksstimme-Redakteurin Nora Knappe sprach mit Nobody Knows über ihre Entwicklung, ihre Ambitionen und ihren Kontakt zu Udo Lindenberg.

Volksstimme: Nobody Knows gibt es jetzt seit zehn Jahren – seid ihr erwachsen geworden?

Max: Insgesamt eher nicht, was – zumindest meinen – Spiel- und Bewegungsbedarf angeht. Aber das war wohl eher nicht gemeint...

Maxx: Die Aufgaben sind auf jeden Fall vielfältiger geworden, es kam das Lyrikprojekt dazu, dann vor vier Jahren das Folkfestival. Doch, wir sind abwechslungsreicher geworden.

Max: Ja, und da tritt natürlich auch eine Form der Professionalisierung ein, man muss viel bewältigen.

Jule: Die unangenehmen Sachen wie Steuer und so macht alle Max.

Max: Genau, das mach alles ich, keine Musik mehr, nur noch Papierkram (grinst). Also es ist schon so, dass wir früher ein Stück einfach gespielt haben, wenn‘s uns gefallen hat. Ohne die Urheber zu fragen. Das geht natürlich nicht.

Jule: Als Vertragspartner werden wir aber oft nicht ernstgenommen. Da müssen wir wohl noch älter werden.

Maxx: In der Werbung zum Beispiel sind wir auch professioneller geworden. Wir haben gelernt: Manchmal muss man übertreiben, um wahrgenommen zu werden.

Volksstimme: Und ihr werdet wahrgenommen.

Max: Ich glaube, mittlerweile ist Nobody Knows ein Begriff. Zehn Jahre Band und vier Jahre erfolgreich Folkfestival – das passt doch gut zusammen.

Maxx: Mittlerweile sind es an die 100 Bands, die sich fürs Folkfestival bewerben – das spricht für sich.

Max: Und deshalb sind wir uns noch gar nicht sicher, ob es das Festival im nächsten Jahr geben wird. Der Aufwand wird immer größer.

Jule: Und eine Pause wäre vielleicht nicht schlecht. Manchmal muss man sich einfach mal rar machen.

Volksstimme: Wie habt ihr euch musikalisch entwickelt?

Max: Am Anfang war das mehr so Hausmusik, wir haben Didgeridoo mit Sounds unterlegt. Irgendwann kam dann der Folk dazu. Mit dem Album "Neue Wege" haben wir angefangen, uns umzuorientieren. Es war ein relativ kopfloser Versuch, einen neuen Weg einzuschlagen, mit deutscher Folklore.

Maxx: Jedes Stück für sich auf dem Album ist schön, aber es ist kein Ganzes. Bei der folgenden CD haben wir daraus gelernt. Auch was den Sound angeht, sind wir besser geworden. Am Anfang waren unsere Anlagen echt riesig, aber der Sound war blöd. Jetzt kennen wir uns aus, auch wie wir bei Festivals mit Starkstrom hantieren müssen.

Max: Einen Wandel hat auch das Lyrikprojekt gebracht, und unser bisher letztes Album "We folk you". Das markiert das, was wir wirklich wollen.

Volksstimme: Das heißt, ihr habt zu euch gefunden, habt euch festgelegt?

Maxx: Nee, festgelegt auf keinen Fall. Es gibt keinen bei uns, der uns festlegt, man kann immer Neues probieren, das macht ja gerade Spaß.

Max: Wir lassen uns nicht festlegen. Wir haben einen Stilmix, der übrigens schon lange weg ist vom Irish Folk. Manche behaupten ja in ihren Ankündigungen und der Werbung für uns immer noch, wir seien eine Irish-Folk-Band. Wir bezeichnen unsere Musik als (er sagt es, ohne zu stolpern) "postmoderne, bundesrepublikanische Folklore mit nordwesteuropäischer Note und ostokzidentaler Rhythmik". Das stiftet Verwirrung, aber trifft‘s. Wir wollen keinen Folk-Purismus betreiben, auch wenn das einigen Festivalveranstaltern Probleme bereitet, uns einzuordnen.

Volksstimme: Macht jeder von euch noch eigene Sachen oder steht die Band im Vordergrund?

Maxx: Die Band hat zu allem, was wir neben unseren normalen Konzerten gemacht haben, das Tor geöffnet. Sei es das Lyrik-oder ein Hörspielprojekt...

Max: Die Band hat totale Priorität. Nobody Knows ist unser Kind und wie eine große Familie. Ich fühle mich in der Band wohl, sie ist meine Wahlfamilie. Zumal mein Vater ja jetzt auch bei uns mitmacht. Und meine Mutter hilft bei der Steuererklärung.

Volksstimme: Kann das auf Dauer funktionieren mit euch – ihr geht alle eure eigenen beruflichen Wege oder studiert, seid jedenfalls kaum in Stendal.

Jule: Die Bandproben nur am Wochenende, das funktioniert eigentlich seit Jahren.

Max: Die emotionale Bindung ist groß genug.

Maxx: Wie gut es funktioniert, zeigt ja eigentlich auch unser Erfolg. Wir machen zwar keine Musik, die man im Radio spielt, aber in Nischensendern kann man uns doch hören. Und das ist schon toll!

Volksstimme: Dass ihr erfolgreich seid, davon zeugen auch einige Auszeichnungen. Zum Beispiel habt ihr den Kulturförderpreis der Stadt Stendal bekommen, seid bei einem Musikmagazin auf dem zweiten Platz bei der Wahl zur Band des Jahres gewählt worden. Und ihr habt auch bei Dreharbeiten für eine ARD-Serie mitgewirkt. Wie geht ihr mit dem Erfolg um?

Max: Der spornt einen an. Und in Kritiken findet man immer wieder Punkte, wo man sieht, da könnte man was besser machen. So ein richtiges Ankommen gibt es nicht.

Jule: Dass uns das alles übern Kopf wächst, das gibt‘s bei uns nicht. Wir finden uns eigentlich ganz unabgehoben.

Max: Oft ist es bei Bands ja so, dass da ein arges Konkurrenzgebahren herrscht, obwohl man zusammen einen tollen Abend hatte. Aber wir pflegen da lieber ein konkurrenzloses Miteinander, vor allem mit den Cobblestones klappt das prächtig. Es besteht kein Grund abzuheben. Es gibt ja ohnehin Bands, die viel mehr Auftritte haben und tausendmal besser sind als wir.

Volksstimme: Habt ihr das Gefühl, hier in der Region gut verankert zu sein? Immerhin reist ihr ja mittlerweile für Konzerte ganz schön durch die Weltgeschichte.

Maxx: Es ist schön: Wenn man eine Weile nicht hier war, wird man gefragt "Wie läuft‘s, wie geht‘s, was macht die Musik?" Das zeigt doch, dass sich die Leute für uns interessieren.

Jule: Und wie schnell die Konzerte immer ausverkauft sind, das ist eine tolle Bestätigung.

Maxx: Es gibt Fans, die uns sogar überallhin zu Konzerten nachreisen – echte Freaks!

Volksstimme: Wie schafft ihr es, die Leute durch alle Altersgruppen für eure Musik zu begeistern, sie zum Tanzen zu bringen?

Jule: Viele sagen, dass man uns ansieht, dass wir Spaß auf der Bühne haben. Kein Abend ist wie der andere, die Moderationen sind nicht auswendig gelernt.

Maxx: Und bisher ist noch jedes Jahr immer was Besonderes passiert. Es macht Spaß, neue Akzente zu setzen, sei es bei der Kulisse beim Weihnachtskonzert oder bei unseren CD-Covers.

Max: Jeder, der zu uns kommt, weiß, dass wir uns nicht zu ernst nehmen, aber etwas können. Wir machen nicht nur mit uns oder für uns Musik, sondern mit dem Publikum.

Jule: Genau, bei uns gehört das Publikum zur Band.

Volksstimme: Was hat euch denn vor zehn Jahren eigentlich zusammengeführt?

Maxx (lacht): Das frage ich mich auch.

Jule: Es lief jedenfalls nicht über eine Anzeige oder so. Wir kannten uns halt alle schon.

Max: Und es war nicht Liebe auf den ersten Blick, das ist erst zusammengewachsen. Es gab ja auch einige Besetzungswechsel. Wer zu uns kommt, muss vor allem mit unserem schrägen Humor klarkommen.

Maxx: Ich habe früher schon gerne improvisiert, und wenn man dann jemanden trifft, der das auch tut und mit dem man zusammen Musik machen kann, ist es perfekt.

Volksstimme: Jule, du bist die einzige Frau bei Nobody Knows, mittlerweile sind es fünf Männer. Braucht ihr langsam eine Frauenquote?

Jule: Nein, keine weiteren Frauen! Das sind meine Jungs (lacht). Klar, die meisten unserer Fans sind weiblich, da muss ich teilen. Aber manchmal gibt es Sprüche aus dem Publikum von wegen "Ach, ‘ne Frau am Schlagzeug". Aber die sind ganz schnell ganz ruhig, wenn sie hören, dass ich es kann.

Volksstimme: In einem Interview habt ihr mal gesagt, ihr würdet gern mal mit Udo Lindenberg oder Helge Schneider was zusammen machen. Was ist draus geworden?

Max: Ich hab tatsächlich bei Udo angerufen. Aber er wollte nicht. Und Helge erreiche ich nicht. Auch Jan Delay haben wir probiert: Die Agentur sagte uns, wir seien vom Format her noch nicht ganz zutreffend.

Volksstimme: Also wie geht es auf dem Boden der Tatsachen für euch weiter?

Max: Wir wollen ein altmärkisches Liedermacherfest auf die Beine stellen. Gemachte Lieder, die inhaltlich etwas bewirken. Und nächstes Jahr gibt es ein Lyrikprogramm, das wir zusammen mit einer Galerie machen wollen.

Maxx: Geplant ist außerdem ein Lyrik-Doppelalbum, das soll in den Abbey-Roads-Studios gemastert werden – Stichwort Beatles! Eine Idee fürs Cover haben wir auch schon, mit Zebrastreifen und so (grinst).