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Wolfsschutz Respekt vor Menschen geht verloren

Ein Thema das zieht. In Stendal erichtet der Experte Wolfgang Lippert über seine Erfahrungen mit Wölfen und nennt Probleme.

Von Regina Urbat 16.07.2019, 01:01

Stendal l Bis auf den letzten Platz ist die Kapelle besetzt. Angesagt hat sich zur Reihe Kamin-Gespräche im Gertraudenhospital von Stendal der namhafte Diplom-Biologe Wolfgang Lippert. Zum zweiten Mal ist der gebürtige Griebener der Einladung des Fördervereins gefolgt und wird den Erwartungen erneut gerecht.

Ohne Umschweife berichtet der 81-Jährige über ein Thema, für das er während seiner beruflichen Tätigkeit im Berliner Tierpark unter Leitung von Prof. Heinrich Dathe verantwortlich war: über Wölfe. Mit Episoden aus der Vergangenheit wie lehrreiche Stunden mit einem russischen Offizier, von dem er viel über Wölfe und Wolfshunde erfuhr, unterhielt der Wahlberliner das Publikum. So verriet Lippert, dass zu DDR-Zeiten der Wolf gnadenlos „entnommen“, sprich getötet wurde, oder in Sprengfallen an der innerdeutschen Grenze sein Leben ließ.

Mit der Wende wurden zunehmend aus Osteuropa eingewanderten Wölfe beobachtet, ob als Einzelgänger oder im Rudel. Lippert selbst entdeckte einige, den ersten um 2000 im Bucher Brack–Bölsdorfer Haken, ein Naturschutzgebiet zwischen Jerichower Land und Tangermünde. „In einer Flussdüne hatte das Tier seinen Bau gehabt“, sagt Lippert, der mit solchen Sichtungen nie hausieren gegangen sei. „Schweigsamkeit ist der beste Naturschutz.“

Einen weiteren Wolf habe er bei Goldbeck in einem Getreidefeld gesehen, wobei rein zufällig. „Ich hatte damals die Aufgabe, Vögel wie Goldammern zu zählen und sah plötzlich Fellohren. „Der Wolf bewegte sich im Schütteltrab davon, wie im Bilderbuch“, schwärmt Lippert. Seine Sternstunde als Freiland-Zoologe erlebte er in Mecklenburg beim Kartieren von Neuntötern. Als er einen dieser Vögel mit seinem Fernglas folgte erblickte er im Visier einen Wolf, der gerade zum Meuselsprung ansetzte. Ein vierter Wolf sei ihm bei einem Gutachten für die Ausweisung eines Windparks begegnet, was er letztendlich damit begründete, dass er die wilden Raubtiere nur deshalb zu Gesicht bekomme, weil er ihre Lebensgewohnheiten genau kenne. „Sie sehen ihn nicht“, so der Experte an das Publikum gewandt und beantwortete freizügig auf Frage.

Was er von der Panikmache um den Wolf halte? „Nichts.“ Das Wildtier gehen von Natur aus dem Menschen aus dem Weg, weil dieser seinem ärgsten Feind, einem aufrecht stehenden Bären, ähnlich sei. Wölfe, die jedoch von Menschen geprägt seien, lassen das typische Fluchtverhalten vermissen. Es werde schlichtweg verschwiegen, dass beispielsweise in Russland Wölfe aufgezogen, gekreuzt „und alles mögliche noch gemacht wird“. Beweisen könne er es nicht“, betont Lippert.

Und dass Wölfe weidende Schafe, Kühe oder auch Pferde reißen, liege im Instinkt der Fleischfresser und an der räumlichen Nähe von Mensch und Tier im dicht besiedelten Deutschland. „Deshalb können wir uns aber nicht ausrotten“, witzelt Lippert und stichelt in Richtung Abschussverbot. „So lange wir die Wölfe so mächtig schützen, verlieren sie den Respekt vor uns Menschen.“ Dabei gebe es durchaus Mittel, den Räuber zu vergrämen wie beispielsweise durch Gummigeschosse. Sein Fazit: Fast die gesamte Fläche in Deutschland wird genutzt. „Deshalb kommen wir vom Wolf nicht los.“