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Zeit-Geschichte Wissen, wann das Stündlein schlägt

In Stendal wurde vor 175 Jahren die erste richtig gehende öffentliche Uhr angebracht. Noch heute hängt sie am Rathaus.

Von Nora Knappe 02.01.2017, 00:01

Stendal l So exakt wie heutzutage, da die Menschen einer Zeitzone zum Jahreswechsel allergenauestens wissen, wann es 0 Uhr ist, und so gut wie gleichzeitig anstoßen, ging es früher nicht zu. Da konnte es gut passieren, dass der Postkutschenreisende um 14 Uhr in Stendal ankam, auf dem Weg zum Ziel mit Blick gen Domuhr feststellte, dass er die Zeit überholt hatte, denn die Turmuhr zeigte dreiviertel zwei, und dann schon um halb zwei am Uenglinger Tor ankam, wie er kurz zuvor an der Jacobi-Kirchen-Uhr abgelesen hatte...

„Bis zum Jahr 1842 gab es in Stendal außer den Kirchturmuhren keine öffentlichen Uhren“, hat Stadtarchiv-Leiterin Simone Habendorf bei der Aktenrecherche herausgefunden. Und diese wichen eben sehr stark voneinander ab.

Das wollte die Stadtverwaltung ändern und bat die Stadtverordneten-Versammlung 1841 um Zustimmung zum Antrag auf Beschaffung einer „Normaluhr“. Der Auftrag zur Anfertigung ging an den Königlichen Hofuhrmachermeister E. Möllinger in Berlin. Dieser schreibt im September: „Die Aufgabe, eine richtig gehende Uhr zu machen, ist die schwierigste, die der Uhrmacher kennt und bis jetzt noch nicht erreicht worden, wenn man das ‚richtig gehen‘ im strengsten Sinne des Worts nehmen will. Nur Berlin, Königsberg in Preußen und Magdeburg haben (so viel mir bekannt) dergleichen Normal-Uhren öffentlich aufgestellt…“

Die Uhr, die an der sogenannten Rentei-Stube (heute ist dort das Standesamt) angebracht werden wird, wird schließlich im November 1842 von einem Stendaler Fuhrmann abgeholt: „3 Kisten und 1 Eisern Gewicht“. Ein Stendaler Uhrmacher wird mit der Bedienung und Wartung der Pendeluhr beauftragt, die die Zeit von außen wie innen anzeigt. Woher aber wusste der nun, wie spät genau es war? Dem Altmärkischen Intelligenz- und Leseblatt vom 22. Oktober 1942 ist zu entnehmen: „Damit er die Uhr nach der richtigen Sonnenzeit stellen konnte, wurde ihm noch eine Sonnenuhr geliefert, die er in seinem Garten aufstellte.“

Die Uhr am Rathaus ist fortan der maßgebliche Zeitanzeiger, die Küster haben sich beim Stellen ihrer Uhren danach zu richten. Doch auch die vermeintlich präzise Normaluhr hat ihre Mängel, wie ein Ersuchen des Königlichen Postamtes 1848 verdeutlicht: Darin wird gebeten, die „Stadt-Normaluhr, welche etwas zu spät geht“, nach der Post-Coursuhr zu stellen, welche wiederum nach der Eisenbahnuhr gestellt wird, „damit die Postreisenden die Abfahrtszeit nicht versäumen“.

Heute bekommt die Stendaler Rathaus-Uhr – die die Aufziehzeiten längst hinter sich gelassen und einen elektromechanischen Antrieb hat – das Funksignal aus Mainflingen bei Frankfurt/Main. 2015 wurde zur Steuerung der Uhr eine Hauptuhr mit Funkempfänger installiert.