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Zeitreise Eine (fast) vergessene Welt

Wilfried Hannemann war Lehrmeister in der alten Gießerei in Tangerhütte. Wo heute Ruinen sind, florierte zu seiner Zeit die Wirtschaft.

Von Birgit Schulze 09.05.2017, 18:51

Tangerhütte l Wenn Wilfried Hannemann an seine Zeit als Lehrausbilder „auf der Hütte“, wie die Tangerhütter sagen, zurückdenkt, dann sieht er die hobelnden Lehrlinge, den Frühstücksraum und die vielen Leistungsvergleiche mit anderen Betrieben wie dem Magdeburger Schwermaschinenbau Karl Liebknecht (SKL), dem Schwermaschinenbau-Kombinat Ernst Thälmann (SKET) oder den Magdeburger Armaturen-Werken (MAW) wieder vor sich.

1970 fing der Modellbauer im Tangerhütter Eisenwerk an, 1974 übernahm er die Lehrlingsausbildung und richtete die Lehrwerkstatt im Obergeschoss der Modelltischlerei ein. Auch das Schild, das bis heute auf diesen Bereich hinweist, ließ er damals anbringen. 1994 war dann Schluss mit der Lehrausbildung in Tangerhütte. Die Modelltischlerei ist 1996 auf den noch heute als Gießerei genutzten Teil des riesigen Betriebsgeländes umgezogen. In den Jahren als Lehrmeister der Modellbauer aber hat er mit seinen Kollegen und den vielen Lehrlingen einiges erlebt.

Einer der ersten Lehrlinge, Harald Heinert, betreibe mit seinem Sohn bis heute eine Holzwerkstatt in Bertingen, erzählt Hannemann. Und auch an andere Gesichter erinnert sich der Tangerhütter noch genau, von manchen weiß er auch heute noch, wo sie abgeblieben sind.

Mit 16 oder 17 Jahren kamen die jungen Menschen damals in die Ausbildung, zuvor waren viele bereits im Rahmen des „UTP“ („Unterrichtstag in der Produktion“) ab Klasse 6 mit der Gießerei in Berührung gekommen. Anfangs arbeiteten 25 Kollegen fest im Modellbau, zum Schluss - nach der Wende - waren es noch 12.

Auch an echte Höhepunkte erinnert sich Wilfried Hannemann bis heute, etwa als Tangerhütte den besten Lehrling im DDR-weiten Leistungsvergleich, Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, stellte. Der junge Mann kam damals aus Grieben, erzählt er weiter. Wo dieser heute lebt, weiß er aber nicht.

Immerhin sei mit den Bemühungen des Vereins „Aus einem Guss – Förderverein für Industriegeschichte und Gartenkunst“ in Tangerhütte das Interesse an der Gießereitradition wieder spürbar gewachsen und wenn in den Räumen der alten Modelltischlerei – wie angedacht mit einem Bauernmarktes oder als Begegnungsstätte zu besonderen Aktionen wie dem Tag des offenen Denkmals oder der Industriekultur – wieder ein Stück Leben einziehen sollte, dann ist auch Hannemann gerne mit dabei.